Ohne Demonstrationen geht gar nichts: Der Berliner Rapper Refpolk hinterfragt die Gesellschaft
Text: Christoph Schrag, Foto: Sandra Rokahr
Tracks über Geld, Autos und Frauen: Bling-Bling hat dem Hip Hop für lange Zeit ein ziemlich einseitiges Image beschert. Dagegen rutschten Conscious Rapper mit bedachter, gesellschaftskritischer Haltung schnell in den Dünkel von waschlappigen Emo-Esoterikern. Dass Hip Hop aber immer noch und immer besser als Sprachrohr für harte Themen taugt, das beweist das stetige Wachstum einer linken Rapper- Szene in Berlin. Einer davon heißt Refpolk. Und der hatte, liebe Gangster-Bling- Blinger, auch schon Beef mit den Behörden. Und zwar richtig.
Der G8-Gipfel 2007. Das kleine, bis dahin nur unter Ostseeliebhabern bekannte Örtchen Heiligendamm bekommt einen zwölf Kilometer langen Hochsicherheitszaun um sein schönes Hotel Kempinski. Tausend Soldaten, Kampfflugzeuge und sechzehntausend Polizisten sind im Einsatz, um das Treffen der führenden Wirtschaftsnationen zu schützen. Offenbar auch vor Refpolk. Er will demonstrieren mit einem Freund. Sie haben Transparente dabei, auf denen steht: »Free All Prisoners Now«. Das genügt einer Handvoll der Polizistenschar, um die beiden sicherheitshalber mal fünf Tage in den Bau zu stecken, so lange, bis der Gipfel rum ist.
Viereinhalb Jahre Prozess später, nach vielen juristischen Niederlagen und Soli- Partys zum Finanzieren der Klage, sagt endlich der Europäische Menschengerichtshof in Straßburg: Liebe deutsche Polizei, das war falsch. Refpolk bekam also Recht. Das Urteil setzte Energien frei. Er ging nach London, studierte und schrieb ein Album.
Zahm hat ihn all das nicht gemacht. Im Gegenteil. Refpolk war schon immer in der linken Szene von Berlin aktiv. Auch als Musiker. Er gehörte zu einer der ersten Truppen der Stadt, die auf linken Partys spielen durften, obwohl Hip Hop gerade dort lange verpönt war – als Bastion des Kapitalismus und der Frauenfeindlichkeit. Schlagzeiln hieß die Crew, der er angehörte. Sie waren anders, ihre Texte passten in die Reihen der Globalisierungskritiker und Feministen. So waren sie es, und nicht etwa eine Punkband, die die Hymne der Köpi 36 schrieben, einem der letzten besetzten Häuser Berlins – »Köpi bleibt!«. Auch die Hymne ist geblieben, selbst wenn Schlagzeiln gerade auf Eis liegen. Die einzelnen Rapper gehen ihrer eigenen Wege. So auch Refpolk.
»Über mich hinaus« heißt sein neues Album. »Es soll nicht einfach nur um mich gehen, sondern um Dinge, die um uns herum passieren, und darum, die Sicht auf uns selbst und die Gesellschaft immer wieder zu hinterfragen«, sagt er. Echte Themen fasst er dabei an. Dass die Stadt ihre Armen an den Rand drängt, etwa, oder, dass Faschisten eine Gefahr in ganz Europa sind. Seine Interessen gehen eben nicht nur »über ihn hinaus«, sondern auch über die Musik. Gerade ist er dabei, mit anderen Rappern der linken Szene in Deutschland ein Netzwerk zu gründen. »Tic Tic Boom«. Das »Tic« spielt dabei auch auf das englische Wort für Zecken an, womit die Rechten wiederum Linke brandmarken. Ohne demonstrieren geht es nicht bei Refpolk. Aber er kennt schließlich seine Rechte.
Refpolk Über mich hinaus
Eigenvertrieb
www.refpolk.de
Der Artikel erscheint in der Melodie&Rhythmus 1/2013, erhältlich ab dem 4. Januar 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.