Ein Twitter-Account soll Peter Weissʼ Denken und Wirken für eine breitere Öffentlichkeit erschließen
Zahlreiche Lektürezirkel gab es in den 1980er-Jahren, an Universitäten und in politischen Organisationen. Die drei grauen Bände der »Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss wurden intensiv durchgearbeitet und Traditionen der Arbeiterbewegung bewegend und schmerzhaft erkundet. Diese Welle ebbte dann aber ab. Auf den Theaterbühnen tauchte gelegentlich noch »Die Ermittlung« über den Frankfurter Auschwitz-Prozess auf.
Zum 100. Jahrestag, 2016, stand Peter Weiss erneut im Rampenlicht. Es gab europaweit Tagungen und Lesungen. In Deutschland wurde er zumeist als Außenseiter gefeiert, der im Literaturbetrieb zwischen Stuhl und Bank gesessen habe – politisch engagiert zwar, aber doch auch daran zerbrochen. Die Erkenntnis, dass er weiterhin »brandaktuell« sei, etwa durch seine Exilerfahrung für die Flüchtlingsdebatte, wurde bald vom Zeitgeist verweht.
Dabei wollte Peter Weiss mit der Linie Luxemburg–Gramsci eine Tradition der sozialen Emanzipationsbewegung rekonstruieren und aufrechterhalten, die handlungsanleitend bleibt – als »lebendige kritische Wissenschaft, Ablehnung jeglicher Illusionsbildungen, Idealismen, Mystifikationen«. Kurzum, er wollte sich nichts vormachen lassen.
Die 1989 gegründete Internationale Peter Weiss-Gesellschaft (IPWG) schärft mit verschiedenen Medien, einer Website und einem Jahrbuch die öffentliche Wahrnehmung von Leben und Werk von Peter Weiss als Maler, Filmemacher und Schriftsteller. Sie beschränkte sich damit aber eher auf das akademische Milieu. Nun will die IPWG mit dem Twitter-Account Peter Weiss Notizen interessante Informationen und Aktivitäten rund um sein Schaffen schneller und einfacher für ein breites Publikum zugänglich machen. Kaum ein deutscher Schriftsteller hat sich so intensiv mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt wie Peter Weiss und gezeigt, wie die Vergangenheit in der Gegenwart noch nicht vergangen ist. Peter Weiss Notizen soll sein Denken und Wirken mit kurzen und knappen Beiträgen wachhalten, aber auch über die Möglichkeiten politischer Literatur in der Gegenwart berichten und sie fördern helfen.
Stefan Howald
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2022, erhältlich ab dem 1. April 2022 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.