Foto: Catfish Victim
Ein Underdog der Berliner Hip-Hop-Szene
Christoph Schrag
Er ist zurück – der Mann, der sich »Tapete« nennt. Eigentlich kann man ihn ja nicht mehr guten Gewissens als Newcomer bezeichnen. Aber nach wie vor ist bei dem gefühlsechten Berliner Underdog alles selbstgemacht und kostenlos erhältlich. Er kleistert seine scharfen Zeilen im noch immer offenen Fall Tapete vs. Gesellschaft auf Beats und trifft dabei oft den Nerv einer Generation, die davon aber leider selten in größerem Umfang Notiz nimmt.
»Schnauze voll von Arbeitszeiten /
Vom modernen Sklaventreiben /
Vom Ausnutzen der Gescheiten /
Ich bin raus und setz ein Zeichen«
»Dauerpraktikant« (2006).
Die Zeichen, die Tapete bisher gesetzt hat, kann man sich alle herunterladen – ob es dabei um Schwarzfahren, Schulden, Starkult oder auch mal den Brustmuskeldance ging. Vier Alben und drei EPs sind es inzwischen, die alle kostenlos auf seiner Website zum Download angeboten werden. Sein letztes Album wurde immerhin von über 18.000 Usern gezogen. Rechnet man alle Downloads zusammen, kommt Tapete auf knapp 60.000. Nicht schlecht für einen Typen, von dem viele erst gehört haben dürften, als er vor drei Jahren Stress mit dem Jobcenter bekam (M&R berichtete). Sein Streit mit den Behörden über vermeintlich unberechtigten Leistungsbezug vor dem Hintergrund seiner Rap-Karriere fand großes Medienecho. Doch Inzwischen ist das Schnee von gestern. Und Tapete ist immer noch und wieder an seiner Roots-Arbeit, die heute allerdings eine andere zu sein scheint als früher.
»Wenn zu viele was für richtig halten, muss ich’s hinterfragen /
Ich beginn‘ daran zu zweifeln, und der Zweifel füllt die Tage«
»Der Überdruss« (2014).
Bislang klangen die Zweifel aus Tapetes Mikro oft wie handfeste Anklagen. Es waren Zweifel, die für ihn zu Ende gedacht waren und klare Überzeugungen zuließen. Etwa, dass Geld Versklavung bedeutet, dass Nationen abgeschafft gehören oder Ordnungsämter aus Denunzianten bestehen. Auch wenn sich die grundsätzliche Haltung dahinter vielleicht nicht geändert haben mag: Auf seinem neuen Album »Sonne, Mond und Punkt« spielt derlei Abarbeitung an den Strukturen kaum eine Rolle mehr. Der Blick geht nach innen, wird dabei aber nicht weniger schonungslos.
»Zuerst begegne ich einem verdrängten Schmerz /
Er zuckt verzerrt /
Und er schluckt sehr schwer«
»Unterwelt« (2014).
Tapete legt eine Atempause ein, durchleuchtet sich selbst und spielt Gedanken zum richtigen Leben durch. Natürlich behält er sich dabei einen gewissen Sarkasmus im Grundton und einen gewissen Trotz, mit dem er in die Welt schaut. Aber es wirkt schon ein wenig so, als wäre erstmals (und hier bittet der Autor vorab um Verzeihung für das platte Bild) die Wand hinter der Tapete sichtbar geworden.
Tapete Sonne, Mond und Punkt
Rauhfaser Records
www.tapeteberlin.de
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