Ein Kommentar von Gerd Schumann
»Honey sagt: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg / Sondern nur noch Frieden ausgeh’n / Ob wir nun diesseits oder jenseits der Mauer steh’n / – Und die muss auch noch weg« (Udo Lindenberg, »Der Generalsekretär«, 1987). Nach der Wende ist nicht vor der Wende. Die Mauer ist weg, der Frieden auch. Nur der Sonderzug nach Pankow schnauft weiter. Wie 1983 als Swing-Klassiker mit deutschem Text, so 2015 in der Wirklichkeit – Linie U2. Udo Lindenberg, 68, bestieg ihn, als sei alles, wie es mal war – von wegen »Erich, kannst mich hörn«, you remember?
Natürlich diente die Berliner West- Ost-Fahrt Anfang April der Werbung: für sein ambitioniertes Projekt, demnächst das Berliner Olympiastadion nach langer Tour-Durststrecke füllen zu wollen; auch für sein Gesamtwerk-Musical »Hinterm Horizont« (Markenregisternummer 302009072358). Das läuft und läuft und kolportiert allabendlich die Legende vom netten Blauhemdmädchen aus Ostberlin und den bösen Zonenbonzen. Ideologietransport im Panik-Gewand wie früher, nur dass diesmal nicht die DDR, sondern die DDR als Nicht-Unrechtsstaat aus den Köpfen verschwinden muss.
Ende März hat sich der wegen seiner Sonderfahrt geehrte Udo auch in das Goldene Buch des Bezirks Pankow eintragen dürfen. Das Bundesverdienstkreuz am Bande gab’s bereits am 20. November 1989. Damals mutierte der Osten gerade zum »ehemaligen Osten« – das Jodeltalent erhielt seinen West-Orden zu Recht. Weit vorher, in den frühen 1970ern, hatte er im Gefolge der roten BRD-Politrock-Vorhut manch witzigen Deutschpopsong erfunden. Zunächst sorgte er mit »Wir wollen doch einfach nur zusammen sein« für gesamtdeutsche Tränen. Später schenkte er Erich Honecker eine Lederjacke und trank mit Egon Krenz Buttermilch. Als seine beiden hochkarätigen DDR-Kontakte dann im Knast landeten und ihn selbst kaum jemand mehr hören mochte, malte er »Likörelle« und meldete das Markenrecht auf den Begriff an (Registernummer 39746502).
Der Rubel muss rollen wie der Chattanooga Choo Choo zu »eurem Oberindianer«. Doch »Honi« ist so tot wie die Frage, die so wichtige: »Wozu sind Kriege da?« Nach Bosnien, Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Mali, Syrien, Ukraine, im Angesicht der Griechen im Würgegriff und der nackten Hungerleidenden im Wind des Südens: Der »kleine Udo« steigt lieber wieder in den Sonderzug von vorvorgestern. Im Ernst: Wie lange will er uns noch belästigen mit seiner Rolle als Rock’n’Rollbacker, die er im Kalten-Kriegs-Theater so erfolgreich gespielt hat? Udo, kannst mich hörn?
Der Beitrag erscheint in der Melodie und Rhythmus 3/2015, erhältlich ab dem 30. April 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.