Marco Wilms im Interview zu seiner Dokumentation »Art War«
Interview: Friedrich Reip, Fotos: Heldenfilm
Egal mit welchem Plan man ein Projekt beginnt, das Leben kann alle Konzepte umwerfen. So erging es auch Marco Wilms, denn kaum in Kairo angekommen, um eine Dokumentation über Hamed Abdel-Samad drehen, überschlugen sich die Ereignisse auf dem Tahrir-Platz, und Wilms fand sich zu einem Film zum Thema »Kunst und Revolution« inspiriert. In Wilms’ Wohnung in Berlin Mitte, in der sich Poster und Trailer-DVDs zu »Art War« stapeln, sprachen wir über die Musik im Film.
In den ersten Minuten des Filmes fällt der Satz, »Kunst wie Musik ließen uns wieder lachen – dadurch konnten wir alles durchstehen«, der die Auf bruchsstimmung im Frühling 2011 illustriert. Wie gestaltete sich die musikalische Szene am Tahrir-Platz zu dieser Zeit?
Dieser Spruch stammt von Ramy Essam. Er war als kleiner Junge aus der Kleinstadt mit seiner Gitarre nach Kairo gekommen, hatte aber zu Mubaraks Zeiten nirgendwo spielen dürfen. Als er auf den Tahrir- Platz kam, hat er anfangs nur Slogans von Demonstranten aneinander gereiht und daraus einen Song daraus gemacht. Das fand ich genial! Inzwischen ist er ein Superstar – der Sänger der Revolution! Ich denke, seine Musik drückt auf sehr einfache, rockige Art und Weise das Gefühl der Menschen aus. Dabei steckt auch sehr viel Humor in seinen Texten, wenn er sich etwa über die Vorwürfe lustig macht, die Revolutionäre seien allesamt nur eingekauft.
Ramy war jeden Tag am Tahrir-Platz?
Ja – und schon immer. Er hat im Zelt geschlafen, Ausweise kontrolliert, demonstriert, gekämpft, wurde gefoltert. Er spielt auch abseits des Tahrir-Platzes überall. Einmal ist er mit einer winzig kleinen Box mit wirklich miserablem Sound direkt vor dem TV-Gebäude aufgetreten. Eine echte Front-Performance.
War die Musik am Tahrir-Platz stets politisiert?
Im Grunde schon, ja – wobei ich natürlich vor allem solche Musik für den Film ausgewählt habe, die für mich den Geist der Revolution ausdrückte. Hip-Hop und Shaabi-Musik spielten dabei eine große Rolle …
Gleich zu Beginn des Filmes ist ein Video der HipHop-Formation Revolution Records zu sehen.
Den Namen haben sie übrigens schon viel länger, aber nun passt er natürlich perfekt! An dem Morgen rappten die Jungs bei mir auf dem Hotelbalkon, während auf der Straße unten das Militär stand. Der Hotelmanager drehte völlig durch, man drohte ihm schon mit Kalaschnikows. Im Hotel konnten wir also nicht drehen, daher filmten wir das Video dann in einer kleinen Seitenstraße. All das passierte erst zwei Wochen vor der Premiere des Filmes. Mir war wichtig, dass an seinem Anfang ein ganz aktueller Eindruck steht – im Text geht es ja auch um den Betrug durch die Muslimbruderschaft.
Worum geht es bei Shaabi-Musik?
Das ist ebenfalls eine Art lokaler Hip-Hop. Ein Beispiel ist Ahmed Samih Farag, der aus Mursis extrem langweiligen, repetitiven Ansprachen Soundcollagen gebildet hat.
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 2/2014, erhältlich ab dem 28. Februar 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.