
Im Freistaat Kongo des belgischen Königs Leopold II. wurden Sklaven gezwungen, Sklaven zu bestrafen
Foto: Imago / United Archives International
Jürgen Zimmerer zur Verdrängung der Verbrechen des deutschen Kolonialismus als Schlussstrichstrategie
Interview: Susann Witt-Stahl
In Deutschland ist ein neuer Historikerstreit entbrannt. Im Zentrum stehen die Thesen der postkolonialen Theorie über Kontinuitäten zwischen den Verbrechen des Kolonialismus und dem Völkermord an den Juden. Ihre Gegner fahren ideologische Sturmgeschütze wie den Vorwurf der Holocaustrelativierung auf. M&R sprach mit dem Postkolonialismusforscher Jürgen Zimmerer über die politischen Beweggründe solcher großkalibrigen Angriffe, über verweigerte und verspätete Einsichten zu deutschen Kolonialverbrechen und über die Mythen der westlichen Zivilisation.
Kritische Historiker beobachten einen »neuen Kolonialrevisionismus« in Deutschland. Gibt es so eine Tendenz?
Ich glaube nicht, dass »Kolonialrevisionismus« der richtige Begriff dafür ist. Meines Wissens will niemand deutsche Kolonien zurückhaben. Das aber meint der Begriff historisch. Was wir dagegen beobachten können, ist eine zunehmend offensive Verteidigung der deutschen Kolonialgeschichte durch Parteien und Gruppierungen, die dem konservativen bis rechten Spektrum zuzuordnen sind. Kolonialismus wird als lohnendes Betätigungsfeld des Geschichtsrevisionismus entdeckt. Das ist zugleich ein Zeichen, dass die Debatte um Deutschlands koloniales Erbe in der Öffentlichkeit angekommen ist, aber auch, dass man glaubt, mit einer verklärenden Perspektive Politik machen zu können. …
Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2022, erhältlich ab dem 17. Dezember 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.