Düsseldorf kehrt zurück auf die deutsche Musiklandkarte: Mit Elektronik und Krautpop auf den Spuren von La Düsseldorf, DA F, Kraftwerk, Toten Hosen, Fehlfarben, Krupps …
Text: Pat Cavaleiro, Fotos: Manuel Boden
Man braucht sich nur in jedem besser sortierten Plattenladen der Welt umzuschauen, stets ist Düsseldorf präsent. Die nur zu oft als arrogant und hochnäsig stigmatisierte Stadt am Rhein hatte sich in den 70ern und 80ern einen gewaltigen Platz in der Musikgeschichte erspielt, der nur noch von musikalischen Schmelztiegeln wie New York, London oder Paris getoppt werden konnte. Alben von Bands wie La Düsseldorf, DAF und nicht zuletzt Kraftwerk findet man in den Regalen ohne lang suchen zu müssen.
In den 1990ern dann erlahmte der kreative Output der Stadt, die nicht nur Weltruhm in Sachen Krautrock und Elektronik erlangte, sondern mit den Fehlfarben, den Krupps oder den Toten Hosen auch Punk in deutschen Landen etablierte. Das musikalische Erbe schien in Vergessenheit zu geraten. Doch die vergangenen zwei Jahre haben der Stadt zu einer feierlichen Wiederauferstehung verholfen – dank Interpreten aus den verschiedensten musikalischen Bereichen. Sei es nun Techno von Loco Dice, Rap von Blumio oder NMZS, Metal von Callejón, Elektronik von Lorenz Rhode, Singer-Songwriter-Töne von Honig, Elektropop-Rap von Susanne Blech oder Krautpop aus dem Stabil Elite-Dunstkreis: die Stadt hat es wieder zurück auf die deutsche Musiklandkarte geschafft. Doch wie kommt diese immer wiederkehrende Produktionsleistung zustande? Ist Düsseldorf besonders musikalisch?
»Nein«, finden Mouse On Mars, die jahrelang Teil der Szene waren und nach sechs Jahren ohne Album mit »Parastrophics« und der gleich nachgeschobenen EP »Wow« grad selbst ihre kleine Renaissance erleben. »Was tut denn die Stadt für die Musiker?«, echauffiert sich Jan St. Werner im Interview. »Aber hier gibt’s super Leute. Es ist ja auch eine sehr mediterrane Atmosphäre, das Leben findet auf der Straße statt. Hier greift alles ineinander: Kunst, Musik, Mode, Style, Essen, Botox, das gehört alles ein bisschen zusammen. Und es kam immer viel, gerade aus dem Umfeld der Kunstakademie.«
Philipp Maiburg, künstlerischer Leiter des inzwischen etablierten Open Source Festivals, sieht das ganz anders und war schon immer davon überzeugt, dass Düsseldorf es als Musikstadt drauf hat: »Ich hab das alles erst sehr spät kennengelernt. Ich bin vor 17 Jahren hergezogen, war mit Phoneheads Untermieter bei Ata Tak und hab dadurch erst das Label kennengelernt. Natürlich kannte ich schon Andreas Dorau, Fehlfarben oder Der Plan, aber diese Verflechtung hatte ich so nicht auf dem Schirm.« Das 1979 in Düsseldorf von Kurt Dahlke gegründete Label gilt als einer der Vorreiter der deutschen Independent-Bewegung und trug mit den eben genannten Bands maßgeblich zum Entstehen der NDW bei, die von Anfang der 80er an um die Welt ging.
Einen Grund für ein immer wiederkehrendes musikalisches Hoch der Stadt sieht er aber, wie auch schon Mouse On Mars, in der altehrwürdigen Düsseldorfer Kunstakademie, wo schon neben zahlreichen anderen Christoph Schlingensief, Joseph Beuys, Gerhard Richter oder Nam June Paik lernten und lehrten: »Das musikalische Düsseldorf hat immer davon gelebt, dass der Austausch zwischen den Musikern und der Kunstakademie sehr stark war. Diese Nähe hat oft dazu geführt, dass sich sehr spezielle Formate entwickelt haben, die es schafften, sich international zu etablieren: Kraftwerk und NDW, in den 90ern Mouse On Mars und Kreidler und jetzt aktuell z.B. Stabil Elite. Ich glaub schon, dass das das Alleinstellungsmerkmal für Musik aus Düsseldorf ist.«
Und wie sehen das die Jungen von heute? Stabil Elite erobern derzeit die Jahresbestenlisten und schafften es, mit ihrem Album »Douze Pouze« die Aufmerksamkeit wieder auf die Stadt zu lenken: »Die Szene in Düsseldorf ist familiär«, erklärt Lucas Croon, Keyboarder bei Stabil Elite. »Es ist schön, dass auch die Älteren wie Stefan Schneider oder Thomas Klein das wertschätzen, was man selbst tut und einem helfen und an einen glauben. Das merkt man und man kann die auch anrufen, wenn man ein Anliegen hat. Wenn man sich dann trifft, dann unterhält man sich sehr angeregt. Man muss sich auch nicht jede Woche sehen, aber trotzdem ist man für einander da – wie eben bei einer Familie.«
Der Beitrag erscheint in der Melodie&Rhythmus 1/2013, erhältlich ab dem 4. Januar 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.