Ob die Rapperinnen von TLC oder die Band AnnenMayKantereit – via Internet experimentieren immer mehr Musiker mit Crowdfunding als Finanzierungsmodell. Auf Plattformen wie PledgeMusic oder Startnext suchen sie ihre Fans zu überzeugen, Kapital für CD-Produktionen oder Tourneen bereitzustellen. Auch wenn Morrissey die Schwarmfinanzierung unlängst als »verzweifelte Maßnahme« abtat, beginnt sie sich als ernsthafte Alternative zur Vermarktung durch Plattenfirmen zu etablieren. Aber gelingt die Absetzung von der Kulturindustrie auch musikalisch? Oder verfällt der Künstler in seinem Werben um Subskribenten dem von den Werbekampagnen der Unterhaltungsindustrie vorgebildeten »Durchschnittsgeschmack« nicht noch stärker, als sein Manager es je forcieren könnte? Zu den Regeln erfolgreichen Crowdfundings gehören sympathisches Auftreten, ein unterhaltsames Pitch-Video und eine Unterstützerliste mit zugkräftigen Testimonials. Für das mehr zum Experiment als zum Social Network neigende Enfant terrible scheint dieser musikalische Marktplatz eine No-go-Area zu sein. Wir lassen folgende These diskutieren:
Crowdfunding leistet musikalischer Eindimensionalität Vorschub.
PRO
Bequemes Selektionsinstrument
Die traditionellen Kulturfinanzierungsmethoden brechen zusehends weg und sind nicht mehr sicher (Förderung durch die öffentliche Hand), oder sie sind mit einem gewissen Maß an Willkür verknüpft (Sponsoring, Mäzenatentum, Stiftungen). Als »aktucooler« Rettungsring soll Crowdfunding die Finanzierungslücken stopfen und Newcomern Flügel verleihen. Das läuft über spezielle Internetplattformen wie Startnext oder Kickstarter. Doch so wertfrei und bürgerschaftlich verankert, wie es klingt, ist die Sache keinesfalls. Mit dem hübschen Community-Flausch ist es nicht weit her. …
Martin Hufner promovierte in Musikwissenschaft mit einer Arbeit über Adorno. Er betreut die Redaktion von nmz-online, der Online-Ausgabe der neuen musikzeitung, und betreibt Blogs wie Kritische-Masse.de oder KulturUnRat.de. ´(Foto: privat)
CONTRA
Musikalische Schatztruhe
Was Morrissey als eine »verzweifelte Maßnahme« beschreibt, wird bei der Sängerin Amanda Palmer zur Kunst des Bittens. »We made an art of asking people to help us and to join us«, erläutert sie in einem TED-Talk zu ihrer Crowdfunding-Aktion. Mit 1,2 Millionen Dollar, die dabei zusammenkamen, zählt diese bis heute zu den erfolgreichsten im Musikbereich. Sicher hat dies eine Menge mit ihrem Verständnis von Fundraising zu tun, bei dem es nicht nur ums bloße Geldsammeln geht, sondern um die Wertschätzung zwischen Künstlern und Fans. …
Eva Breitbach studierte u.a. Germanistik, Soziologie und Kulturmanagement. Sie befasst sich mit den Themen Fundraising, Partizipationsprozesse im Internet und Bedeutung von Kreativität für Formen kollaborativer Arbeit. (Foto: Eva Breitbach)
Die kompletten Debattenbeiträge lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 4/2016, erhältlich ab dem 1. Juli 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.