Melodie & Rhythmus

Vom deutschen Ärgernis zur Farce

23.06.2020 14:43
 Probe zu »Die Meistersinger von Nürnberg«, Bayreuther Festspiele 2017 Foto: Festspiele Bayreuth / DPA / Enrico Nawrath


Probe zu »Die Meistersinger von Nürnberg«, Bayreuther Festspiele 2017
Foto: Festspiele Bayreuth / DPA / Enrico Nawrath

Historisch-materialistische Betrachtungen zum Fall Richard Wagner

Interview: Susann Witt-Stahl

Moshe Zuckermann hat einen ideologiekritischen Wagner-Band vorgelegt, der erstaunliche Ambivalenzen enthält. M&R sprach mit ihm über Wagners Mythen und seinen Antisemitismus, die reaktionären und revolutionären Momente in seinem Werk sowie die vom Streben nach deutscher Normalisierung und Instrumentalisierung des Shoahgedenkens kontaminierte Rezeption heute.

Im Vorwort Ihres Wagner-Buchs verweisen Sie auf die ideologische Sprengkraft des Sujets und nennen es »verstörend«. Was ist das Verstörendste daran?

Ob es heute noch verstörend ist, wage ich zu bezweifeln. Aber das war der Fall, solange Wagner noch ein Thema im deutschen Diskurs war. Was verstört, sind die Widersprüche und Gegenläufigkeiten in der paradigmatischen Gestalt Wagners im 19. Jahrhundert: Ein politischer Revolutionär mit anarchistischen und teils sozialistischen Ambitionen verwandelt sich in einen königstreuen Nationalisten. Ein Komponist mittleren Ranges in den Anfängen entpuppt sich als bahnbrechender Neuerer der Oper im Allgemeinen und deren Musiksprache im Besonderen. Ein hasserfüllter Antisemit, der aber seine Kunst frei hält von dieser großen Obsession seines Lebens, mithin auch den interessengeleiteten Umgang mit Juden keineswegs scheut.

Sie haben in Wagners Weltanschauung einen »nebulösen Übergang vom Begriffssystem Geschichte-Gesellschaft-Vernunft zur Konzeption Mythos-Bühne-Emotion« ausgemacht. Inwieweit korrespondierte diese Entwicklung mit dem damaligen Zeitgeist, und inwieweit war sie für regressive Tendenzen in Kunst und Gesellschaft wegweisend?

Ich glaube, das lag ganz und gar an den vorherrschenden Tendenzen des damaligen Zeitgeists in Deutschland – zum einen an der Romantik, zum anderen an der völkischen Ideologie.

Moshe Zuckermann
Wagner, ein deutsches Ärgernis
Westend Verlag

Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 26. Juni 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

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