Melodie & Rhythmus

Editorial: O du fröhliche

23.10.2010 10:30

Seit Ende September werden Lebkuchenstapel in die Supermärkte geräumt. Diese kleine Geste soll uns daran erinnern, dass die schönste aller Jahreszeiten bevorsteht: die Zeit der Tausalzstraßen und der Wollstrickmützen, der Glühweinnasen und der Schneematschpfützen, der Spendengalas und der Sammelbüchsen. Wir sind milder gestimmt, freuen uns auf Knecht Ruprecht und kuscheln uns in der S-Bahn in die Kapuze unseres Vordermanns.

Streckt uns ein durchfrorenes Kind mit zitternden Ärmchen vor dem KaDeWe eine weiße Dose entgegen, stecken wir diesmal keinen Knopf in den Geldschlitz, sondern ein echtes 1-Euro-Stück. Klingeln Sternsinger an unserer Tür, überhäufen wir sie mit Süßigkeiten, die wir zuvor in bunte Geldscheine eingewickelt haben.

Denn das menschliche Gemüt ist recht durchschaubar, wenn es darum geht, Güte und Barmherzigkeit zu aktivieren. Die Spende ist eine moralische Entlastung, ein Ablasshandel für das eigene Gewissen: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.

Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, solange den Bedürftigen geholfen wird. Prominente borgen ihre großen Namen, um auf Benefizkonzerten so viel Geld wie möglich einzusammeln. Michael Jackson, Wyclef Jean, Bob Geldof und Barfußtrommler Klaus Selmke sind nur vier von unzähligen Künstlern, die sich für einen guten Zweck engagieren (bzw. engagierten). Ob ihre Hilfsaktionen den Empfängern mehr nutzten oder schadeten, lesen Sie ab Seite 48.

Eine andere große Künstlerin ist Annie Lennox. Auch sie ist sich der Zugkraft ihres Namens bewusst, benutzt aber eine eigene Strategie, um die von ihr unterstützten Hilfsprojekte kontrollieren zu können. Worin sich Annie Lennox von ihren Benefiz-Kollegen unterscheidet, erfahren Sie ab Seite 44. Und dass man mit Benefizveranstaltungen auch negative Erfahrungen machen kann, beschreibt Musikproduzent Dieter Dehm ab Seite 40.

Angesichts der schieren Masse von Benefizkonzerten scheint es zweifelhaft, ob die Musiker nachvollziehen können, was mit dem eingespielten Geld passiert. Man fragt sich unwillkürlich: Wollen die das wirklich wissen? Oder spielen sie dort nur, weil der eigene CD-Verkauf stagniert? Die Antworten gibt Prof. Jo Groebel auf Seite 58.

Weil nun bald Weihnachten ist, haben wir zwei Geschenke für Sie. Im letzten Heft konnten Sie ein Interview mit Sven Regener lesen,das aus Platzgründen gekürzt werden musste. Das ungekürzte Interview steht Ihnen ab sofort auf unserer Website zur Verfügung. Ein ganz persönliches Geschenk für Sie. Das andere wird Ihrer ganzen Familie Freude bereiten.

Trennen Sie die Seite 23 sorgfältig aus dem Heft, kopieren Sie die Seite, stecken Sie die Kopien in festlich bedruckte Briefumschläge und legen Sie die Briefe am 24. Dezember unter den Weihnachtsbaum. Das wird ein Jauchzen und Frohlocken! Und falls nicht, denken Sie daran: Wenn es draußen stürmt und schneit, vergessen wir die Bitterkeit.

Herzlichst,
Ihre m&r-Redaktion

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