
Illustration: Nachlass Arno Mohr / Andreas Wessel, 2022
Progressive und konservative Theorien der »neuen« Familie – eine materialistische Kritik
Julie P. Torrant
Die Familie in den entwickelten kapitalistischen Ländern unterliegt einem rapiden Wandel, der im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts einsetzte und sich im 21. Jahrhundert fortsetzt. Eine der wichtigsten Veränderungen ist der Niedergang der patriarchalischen Kernfamilie und die Herausbildung einer »neuen« postnuklearen oder postmodernen Familie. Gleichzeitig verschlechtern sich die materiellen Bedingungen für die meisten Familien, die sich mit einer Reihe beängstigender Probleme konfrontiert sehen. So fehlen ihnen die Mittel, um ihre Grundbedürfnisse nach Wohnraum, Ernährung, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und so weiter zu befriedigen. Sie haben zu wenig Zeit und Energie, sich um ihren Haushalt zu kümmern, und dafür, ihre sozialen und emotionalen Bedürfnisse zu stillen.
Die Erfahrungsberichte führender nationaler und internationaler Organisationen zu den materiellen Bedingungen von Familien und Haushalten in kapitalistischen Industriestaaten wie auch in weniger entwickelten Ländern seit Ausbruch der Coronapandemie im Jahr 2020 zeigen stets dasselbe: Bereits wenn es um Grundbedürfnisse geht, war ein großer Teil der Familien schon vor dieser Krise entweder nicht imstande oder hatte erheblich damit zu kämpfen, diese zu befriedigen. Diese Lage hat sich seit Ausbruch der Pandemie noch einmal deutlich verschärft. […] Der Wandel, den Familien in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen mussten, und die sich stetig verschlechternden materiellen Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, werfen wichtige Fragen auf. Beispielsweise: Wie sind diese »neuen« Familien entstanden und warum? …
Übersetzung: Peter Habig / Susann Witt-Stahl
Dieser Essay basiert auf dem Buch »The Material Family«.
Julie P. Torrant ist Autorin des Buchs »The Material Family« (Die materielle Familie), Mitherausgeberin des Bandes »Human, All Too (Post)Human« (Menschlich, allzu (post-)menschlich) und hat zahlreiche Aufsätze in Zeitschriften wie Signs, Nineteenth Century Prose und Textual Practice veröffentlicht. Derzeit arbeitet sie an einer materialistischen Kritik an Betrachtungen von Behinderung in Kulturtheorien der Gegenwart mit dem Titel »The Dialectical Body« (Der dialektische Körper). Sie hat an verschiedenen Instituten der City University of New York und der State University of New York gelehrt.
Der komplette Essay erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2022, erhältlich ab dem 1. April 2022 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Anzeigen br>