In Wien fand der 15. Protestsongcontest statt
Protestlieder sind in den vergangenen Jahrzehnten leider nur noch bei Demos so richtig beliebt. Dabei gäbe es doch aktuell so viel, gegen das man ansingen könnte. Das dachte sich wohl auch das Team des Wiener Rabenhof-Theaters, als man 2004 den »Protestsongcontest« ins Leben rief. Das Konzept ging auf, und so findet die Veranstaltung nun jährlich statt und wird vom Radiosender FM4 übertragen. Ein Jurorenteam pickt sich aus Hunderten Einsendungen aus dem deutschsprachigen Raum 25 heraus, lässt deren Urheber in einem Halbfinale, schließlich zehn von ihnen im Finale live gegeneinander antreten und kürt einen Sieger. Dieser Höhepunkt wird immer auf den 12. Februar gelegt, das Datum, an dem 1934 der Österreichische Bürgerkrieg begonnen hatte.
Dieses Jahr war die Auswahl an Genres und Themen bunt: Das A-cappella-Varieté Aschanti nahm in »Brutpflegetrieb« Völkisches auf den Arm, die Popgruppe Lisa Jäger & Band appellierte in »Nationalität Mensch«, vielleicht etwas naiv anmutend, an den Kosmopolitismus, und Pianist Ramon Bessel bekrittelte in seinem Lied »SUV« im Stile Randy Newmans mit einem Augenzwinkern urbane Geländewagenfahrer. Überhaupt war das Sujet Umweltschutz besonders beliebt, während Arbeit und Soziales fast gänzlich ausgeklammert blieben. Auch das Siegerlied »Baun« von Sigrid Horn nahm sich eines ökologischen Themas an: der voranschreitenden Bebauung aller Flächen. Freilich, das kann man verurteilen, aber ist es nicht noch perverser, dass daraus nicht mal leistbarer Wohnraum entsteht, sondern damit Spekulationsobjekte geschaffen werden? Aber vielleicht geht dem verhängnisvollen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Naturzerstörung ja im nächsten Jahr eine Gruppe musikalisch auf den Grund.
Christian Kaserer
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2019, erhältlich ab dem 22. März 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Anzeigen br>