Der Neue Materialismus liefert die passende Philosophie für eine zunehmend orientierungslose Linke
Kimberly DeFazio
Theorien des Seins sind immer Theorien des sozialen Lebens und seiner materiellen Beziehungen. Der Neue Materialismus dreht Georg Lukács’ Erkenntnis »Das Sein ist ein historischer Prozess« um. Er betrachtet das Sein als Grundlage des Gesellschaftlichen und behauptet, diese sogenannte ontologische Wende sei die notwendige Antwort auf die ökologische Krise. Er stützt sich auf eine falsche Lesart des frühbürgerlichen Philosophen Baruch de Spinoza, um »anthropozentrische« Vorstellungen zu überwinden – mit dem Ergebnis: Die Materie erscheint als etwas Mystisches, von alles durchwirkender »Agency« (Handlungsmacht) Beseeltes, und für gesellschaftliche Widersprüche bleibt nur noch ein Plätzchen im vielfältigen Spektrum gleichwertiger Ursachen.
Für Neue Materialisten ist der Mensch im grundsätzlichsten Sinne Materie, wie alles andere auch. Damit wird das Gesellschaftliche entmaterialisiert, und die Widersprüche des Spätkapitalismus werden mithilfe von Spinozas Naturalismus in ein metaphysisches Jenseits verlegt, das aber in Wahrheit die Logik des Tauschs ist. …
Übersetzung: Olaf Matthes / Susann Witt-Stahl
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2022, erhältlich ab dem 17. Dezember 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.