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Das Freihandelsabkommen TTIP bedroht die kulturelle Vielfalt
Bruno Kramm
Ein Hauptargument gegen TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, ist die Intransparenz. Niemand außer den US- und europäischen TTIP-Delegationen erhält Zugang zu den Vertragsentwürfen. Was wir bisher über TTIP wissen, verdanken wir einigen EU-Beamten, die Details aus den Verhandlungen geleakt haben. Soviel ist klar: TTIP festigt den Einfluss transnationaler Konzerne auf den Welthandel – auch für die nächsten Generationen.
Mit dem »Investorenschutz« verschaffen sich globale Konzerne ein Klagerecht, das einer Beseitigung demokratischer Grundrechte gleichkommt. Sobald Geschäftsmodelle mit nationalen Rahmenbedingungen kollidieren, können letztere als »Diskriminierung« vor einem intransparent tagenden Schiedsgericht geltend gemacht werden.
Das betrifft potenziell auch Künstler und die freischaffende Kulturszene. Denkbar ist beispielsweise, dass Hollywood-Studios gegen öffentliche Filmförderung klagen, da diese als »diskriminierende« Subvention betrachtet werden. Die Buchpreisbindung oder eine zu laxe Durchsetzung von Urheberrechten gegenüber Nutzern von Tauschbörsen dürften unter Beschuss geraten. Konzerne diktieren zunehmend die Art, wie wir Kultur konsumieren, produzieren und teilen. Gesetze wie das vom Springer-Konzern in den Koalitionsvertrag eingebrachte Leistungsschutzrecht lassen sich mittels TTIP leicht über Grenzen hinweg durchsetzen. Erste rechtliche Voraussetzungen hierfür wurden in der EU und den USA bereits geschaffen. Das bedroht auch den Urheber von multimedialen und kollaborativ entstandenen Werken: Der scheitert schon heute an den Hürden von Lizensierungszwängen, sofern er nicht von einem internationalen Verlag vertreten wird.
Geschlossene Infrastrukturen im Netz, die Errichtung eingehegter Systemplattformen von Apple, Google bis Amazon behindern den Zugang für alternative Künstler. Gravierend wird sich eine Abkehr von der Netzneutralität auswirken. Wenn Verlagsriesen gemeinsam mit Infrastruktur- Anbietern Inhalte an eigene Netze binden, bleiben für die kleinen Anbieter nur noch digitale Fußwege statt der Datenautobahn übrig. Das betrifft besonders selbst vermarktende Urheber, von Filmemachern bis Musikproduzenten. In den USA stellen Konzerne wie Warner Cable schon jetzt den Netzzugang und die Inhalte bereit und bestimmen die Priorität für das jeweilige Datenpaket. Durch eine Investorenschutzklage könnte die Netzneutralität auch hierzulande fallen.
Der Beitrag erscheint in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.