Volker Brauns »Große Fuge« in den utopischen, dystopischen Strömen unserer Zeit
Felix Klopotek
Als er sich Anfang 2020 im Lockdown wiederfand, zählte er mit einem Alter von 81 Jahren zur Risikogruppe. Also: Rückzug, Besinnung, Sichtung von Material – auch Zeit für eine Revision? »Und plötzlich hat das Jahr so einen Ertrag gehabt«, sagt Volker Braun im Gespräch mit M&R. »Ich hab’ noch nie ein Buch gemacht, das dann auch innerhalb eines Jahres herausgekommen ist«, resümiert er seine Arbeit in den vergangenen Monaten. »Eine Gedichtsammlung ist ja meist eine Sache von vier, fünf Jahren. Dieses Mal lief das völlig anders.« Er spricht über die »Große Fuge«, einen Zyklus von neuen Gedichten, der mit einem »Wachtraum« beginnt. Müssen wir uns den Dichter jetzt als öffentlichen Chronisten der jüngsten Krise vorstellen?
Nein, Braun bleibt der »konspirative Realist«, wie er sich einmal selbst charakterisiert hat, der historische Materialist, der weit abseits des Zeitgeists den utopischen, dystopischen Unterströmungen sozialer Bewegungen nachspürt, sich regelrecht in sie hineingräbt und sie in so zersprengten wie streng komponierten Texten (einer dialektisch widersprüchlichen Konstruktion, die sich nur in Form von Versen, Traumprotokollen, Kalauern in produktiver Spannung erhalten kann) zur Sprache bringt. …
[≡] Volker Braun
Große Fuge
Suhrkamp Verlag
53 Seiten
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2021, erhältlich ab dem 18. Juni 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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