Degenhardt (1973) meets Brecht (1947):
»Der Anachronistische Zug« ruft Nach »Freiheit und Democracy« und setzt diese mit Gewalt Durch. Oder: vom gescheiterten Versuch, kulturelle Hegemonie zu erlangen
Gerd Schumann
I.
Am Beginn der – bisher nicht als solche bezeichneten – Wende (West) steht ein Foto. Es zeigt ein plüschiges Wohnzimmer altdeutscher Art, samtbezogene Sessel und ein Sofa, Stehlampe mit Gelsenkirchener- Barock-Schirm vor schlichter Mustertapete, Tisch mit goldberandetem Kaffeeservice auf weißer Häkeldecke. Dass es sich um einen Raum im Schloss Bellevue zu Westberlin handelt, lassen allenfalls die beiden Promi-Ehepaare vermuten, die darin Platz genommen haben und nun versuchen, Höflichkeiten auszutauschen: der persische Kaiser Reza Pahlavi nebst Gattin Farah, geborene Diba, der bundesdeutsche Präsident Heinrich Lübke sowie dessen Gattin Wilhelmine, geborene Keuthen.
Die vier Personen repräsentieren, was längst vergangen schien: die Epoche der absolutistisch strukturierten Monarchien, in diesem Fall der Schah-Diktatur im Iran, die nach dem von CIA und MI6 initiierten Putsch gegen den antifeudalen Präsidenten Mohammad Mossadegh 1953 wiedererrichtet worden war; andererseits in der Person Lübkes die der Architekten von Konzentrationslagern, deren Betreiber und Auftraggeber, die spätestens 1945 in den Orkus der Geschichte hätten gespült werden müssen.
II.
Vor 70 Jahren, »Frühling wurd’s in deutschem Land / Über Asch und Trümmerwand / Flog ein erstes Birkengrün / Probweis, delikat und kühn«, schrieb Bertolt Brecht sein seherisches Gedicht »Der anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy«. …
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie & Rhythmus 3/2017, erhältlich ab dem 30. Juni 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.