Eine Theateradaption von Dostojewskis Roman »Erniedrigte Beleidigte« als Spiegel der Coronakrise
Interview: Sabine Fuchs
Der Regisseur Sascha Hawemann inszeniert am Volkstheater in Wien Fjodor Dostojewskis »Erniedrigte und Beleidigte«. M&R sprach mit ihm über die Inszenierung des 1861 veröffentlichten Romans als kapitalismuskritische Gegenwartsdiagnose, die anhaltende Faszination von Theatermachern für den russischen Romancier und über das Kunstschaffen unter den Bedingungen der Pandemiekrise.
Herr Hawemann, als letztes Projekt vor der Coronakrise haben Sie am Theater Dortmund »Die Dämonen« von Dostojewski inszeniert, jetzt arbeiten Sie an einer Bühnenfassung seines Erstlingswerks »Erniedrigte und Beleidigte«. Was interessiert Sie an diesem Schriftsteller?
»Die Dämonen« ist ein Roman über politische Utopien – darüber, wie die Gesellschaft verändert werden kann. In »Erniedrigte und Beleidigte« gibt es keine politischen Projekte mehr, sondern nur noch den Kapitalismus und das, was dieser mit den Menschen macht. Es ist also ein dystopischer Text. Dostojewski ist für mich nicht der Dichter der russischen Seele, es geht bei ihm immer um die Kollateralschäden des Kapitalismus. Aber er war nicht nur ein Autor, der die Linke ansprach; weil er beispielsweise die orthodoxe Religiosität verherrlichte, gilt er auch als Identifikationsfigur der russischen Rechten.
Wie gehen Sie damit um?
Man muss unterscheiden zwischen der teilweise reaktionären, durch seine Lagerhaft in Sibirien traumatisierten Person Dostojewski und dem Romanautor. Als dieser war er vor allem ein Chronist des Verlusts.
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[≡] Erniedrigte und Beleidigte
Regie: Sascha Hawemann
Volkstheater, Wien
Ab April 2021 (der Termin der Premiere steht noch nicht fest)
Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.