Science-Fiction-Kultur in der DDR
Gerd Bedszent
In der Science-Fiction der DDR und der osteuropäischen Volksdemokratien wur den die Propagierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und das Vordringen in den Weltraum, in die Tiefen der Ozeane oder ins Erdinnere häufig verbunden mit der Vision von einer sozial gerechten Gesellschaftsordnung. Kosmische Kriege kamen kaum vor – die kommunistische Zukunft war geprägt von Frieden und Verständigung. Gelegentlich durften von der Erde entsandte Kosmonauten bedrängten Klassenbrüdern ferner Welten gegen ihre fiesen Ausbeuter beistehen. In späten Werken der DDR-Science-Fiction dominierten dann dystopische Elemente wie Weltkriegsgefahr oder drohende Ökokatastrophen. Autoren wie Stanislaw Lem, Iwan Jefremow, Arkadi und Boris Strugazki, Gert Prokop, Angela und Karlheinz Steinmüller hatten Kultstatus; ihre Werke wurden den Buchhändlern aus den Händen gerissen.
Die Literaturgattung korrespondierte mit anderen Zweigen der Kunst. Comic-Zeitschriften produzierten entsprechende Bildergeschichten. So erkundeten beispielsweise 1958 die Digedags mit einem außerirdischen Raumschiff das All. Die Mäuse Fix und Fax erreichten 1967 in einer Rakete den Mond. Zahlreiche Werke der Malerei und Grafik wurden von Science-Fiction angeregt, dienten als Buchillustration oder fanden Aufnahme in den ab 1980 erscheinenden Almanach »Lichtjahr«.
Der Aufbruch zu den Sternen wurde von mehreren DDR-Rockbands musikalisch begleitet. Diese Verbindung von Science-Fiction und Rockmusik war anfangs keineswegs selbstverständlich. Der sowjetische Autor Sergej Snegow verspottete beispielsweise in seiner Space-Opera »Menschen wie Götter« eine neu komponierte Sternensinfonie: Darin würden die Zuhörer »gesengt, vereist, betäubt, geblendet«.
Aber schon die musikalische Jules-Verne-Adaption »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« der Puhdys aus dem Jahr 1977 wurde eine der schönsten Rockballaden der Band. Mit dem Weltraumflug des DDR-Kosmonauten Siegmund Jähn im Jahr 1978 setzte dann ein Run auf Science-Fiction-Themen ein. Die bis dahin relativ unbekannte Band Berluc legte mit dem Titel »Hallo Erde, hier ist Alpha« einen Senkrechtstart hin. Später erlangte die auf elektroakustische Eigenschöpfungen spezialisierte Band Pond mit ihrer 1984 erschienenen LP »Planetenwind« Kultstatus.
Das Genre brachte auch in der DDR Filme hervor. In »Der schweigende Stern« (1959) besuchen irdische Kosmonauten die von einem Atomkrieg verwüstete Venus. Es folgte mit »Signale – ein Weltraumabenteuer« (1970) eine Rettungsaktion im All. In »Eolomea« (1973) stehlen wagemutige Individualisten Raumschiffe, um auf eigene Faust zu den Sternen aufzubrechen. Bei »Im Staub der Sterne« (1976) stellen irdische Besucher auf einem fremden Planeten fest, dass ihre Gastgeber Eroberer und Kolonialherren sind. Weniger bekannt wurden Streifen wie beispielsweise »Der Mann mit dem Objektiv« (1961) oder der Dreiteiler »Stunde des Skorpions« (1968). Eine vom DDR-Fernsehen geplante Serie namens »Raumlotsen« wurde nicht realisiert.
Der Erfolg der erstgenannten Filme war nicht zuletzt auf die Musik zurückzuführen. Mit KarlErnst Sasse und Günther Fischer hatten die Filmemacher herausragende Komponisten für die Soundtracks gewonnen. Eine im Jahr 2001 mit diesen Titeln produzierte CD-Kompilation »Kosmos – Soundtracks of Eastern Germany’s Adventures in Space« ist inzwischen vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Das Jahr 1990 brachte das Ende für diesen Aufbruch zu den Sternen. Nach dem Zusammenbruch der DDR-Verlagslandschaft verstummten die meisten Autoren; einige veröffentlichen seitdem in Kleinverlagen. Mehrere Ost-Rockbands machten zwar ebenfalls unverdrossen weiter und behielten einen Großteil ihrer Fangemeinde – doch ihre ganz große Zeit war leider vorbei.
Den Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 2/2016, erhältlich ab dem 26. Februar 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.