
Ramsis Kilani bei einer Demonstration in Berlin gegen die israelische Besatzungspolitik
Foto: Not Just Your Picture
Die Geschichte der deutsch-palästinensischen Opfer eines bis heute ungesühnten Kriegsverbrechens
Matthias Rude
Am 21. Juli 2014 wurden elf Zivilisten bei einem israelischen Luftschlag im Rahmen der Militäroperation »Protective Edge« in Gaza-Stadt getötet. Mit ihrer Produktion »Not Just Your Picture« widmen Anne Paq und Dror Dayan sich den Opfern dieses Kriegsverbrechens. Die beiden Filmemacher setzen sich in ihrem Schaffen schon lange intensiv mit dem Nahostkonflikt auseinander: Paq, preisgekrönte französische Fotografin, hat über zehn Jahre lang in Palästina gelebt und gearbeitet und war 2014 auch Augenzeugin der verheerenden israelischen Offensive im Gazastreifen. Dayan, Filmwissenschaftler und propalästinensischer Aktivist, der heute in Berlin und Großbritannien lebt, ist in Jerusalem geboren und aufgewachsen.
Ihre Dokumentation erzählt die Geschichte der Geschwister Layla und Ramsis Kilani, geboren 1991 und 1993 in Siegen. Ihr palästinensischer Vater, Ibrahim Kilani, war in den 80er-Jahren zum Architekturstudium nach Deutschland gekommen; nach der Scheidung von der deutschen Mutter zog er zurück in den Gazastreifen, wo er wieder heiratete. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Im Sommer 2014 wurde ein Gebäude im Zentrum von Gaza-Stadt, in dem er mit seiner Familie Unterschlupf gesucht hatte, bombardiert. Er, seine Frau Taghreed und ihre Kinder, die zwischen vier und zwölf Jahre alt waren, starben. Die israelischen Behörden haben den Fall 2015 einfach ad acta gelegt. Die Berufung des Palestinian Centre for Human Rights wurde 2019 zurückgewiesen. Die BRD hat bis heute keine eigene Untersuchung eingeleitet, obwohl sie verpflichtet ist, Verbrechen gegen deutsche Staatsbürger aufzuklären – auch wenn diese im Ausland begangen wurden. Ibrahim Kilani und vier seiner Kinder besaßen deutsche Pässe.Ihre Dokumentation erzählt die Geschichte der Geschwister Layla und Ramsis Kilani, geboren 1991 und 1993 in Siegen. Ihr palästinensischer Vater, Ibrahim Kilani, war in den 80er-Jahren zum Architekturstudium nach Deutschland gekommen; nach der Scheidung von der deutschen Mutter zog er zurück in den Gazastreifen, wo er wieder heiratete. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Im Sommer 2014 wurde ein Gebäude im Zentrum von Gaza-Stadt, in dem er mit seiner Familie Unterschlupf gesucht hatte, bombardiert. Er, seine Frau Taghreed und ihre Kinder, die zwischen vier und zwölf Jahre alt waren, starben. Die israelischen Behörden haben den Fall 2015 einfach ad acta gelegt. Die Berufung des Palestinian Centre for Human Rights wurde 2019 zurückgewiesen. Die BRD hat bis heute keine eigene Untersuchung eingeleitet, obwohl sie verpflichtet ist, Verbrechen gegen deutsche Staatsbürger aufzuklären – auch wenn diese im Ausland begangen wurden. Ibrahim Kilani und vier seiner Kinder besaßen deutsche Pässe.
Die Trauer führt Layla und Ramsis auf eine Reise des politischen Erwachens: Layla besucht die seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete – in der Hoffnung, etwas über ihre Wurzeln zu erfahren und die Realität dort aus unmittelbarer Nähe kennenzulernen. Ramsis führt ein Verfahren gegen den Staat Israel vor deutschen Gerichten, während der Rest der Familie in Gaza versucht, mit den Folgen der Tragödie fertigzuwerden. Saleh, der Onkel von Layla und Ramsis, möchte die Kinder seines Bruders, die er als Erwachsener nie gesehen hat, treffen – das ist so gut wie unmöglich, solange die israelische Blockade anhält. Der Film wechselt zwischen den Schauplätzen Gaza und Deutschland, der Vergangenheit und der Gegenwart, handelt von der Sehnsucht der überlebenden Familienmitglieder, sich wieder zu vereinen, die getötete Würde zu betrauern und nach derzeit unerreichbarer Gerechtigkeit zu suchen.
»Not Just Your Picture« ist ein persönlicher und bewegender Film, der dem Zuschauer einen Einblick in intime Momente einer trauernden Familie gewährt, die sowohl bei den politischen Verantwortlichen des Verbrechens in Israel als auch bei den sich der »Staatsräson« der »bedingungslosen Solidarität mit Israel« unterordnenden deutschen Behörden kein Gehör findet. Teil der Tragödie der Kilani-Familie ist auch, dass ihre Geschichte von den Medien weitgehend ignoriert wurde. Paq und Dayan möchten das ändern. »Wir wollen es den Betroffenen er – möglichen, unmittelbar und mit ihrer eigenen Stimme zu sprechen«, so die Filmemacher. Das gelingt ihnen auch – ihr Werk zeichnet sich durch emotionale Momentaufnahmen aus, ohne dass das große politische Ganze aus den Augen verloren wird.
[≡] Not Just Your Picture
The Story of the Kilani Family
Regie: Anne Paq / Dror Dayan
New Docs
notjustyourpicture.com
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2021, erhältlich ab dem 18. Dezember 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
"Not Just Your Picture" – Official Trailer (click CC for subs)