Mighty Oaks: Internationales Personal und universelle Sehnsucht
Text: Christoph Schrag, Foto: Bella Lieberberg
Im Nordwesten zwischen Kanada und den USA gibt es eine Gegend, wo sich die Berge zum Meer schieben, und wenn man so am Ozean zwischen zwei Gebirgszügen mit dichtem Wald aufwächst, lässt das einen wohl nie wieder los.
Und doch hat Ian Hooper aus einem Vorort von Seattle all das eingetauscht gegen Brez’n, Weißbier und ein Studium der Internationalen Politik in München. Dann Hamburg, das bei Ian stilecht Hamburch heißt und jetzt seit vier Jahren Berlin. Die erste Berührung mit der Hauptstadt hatte er nicht als Wochenend- Touri im Berghain, sondern durch seinen Job im Bundestag: Ein Praktikum beim stellvertretenden Sprecher der SPD für erneuerbare Energien! Man sieht ihm diese Vergangenheit weiß Gott nicht an: Lange blonde Löwenmähne unter einem Basecap. Ein klassisches Holzfällerhemd, um das eine Gitarre geschlungen ist, die er gern barfuß auf die Bühne trägt. Vom Anblick würde man Ian eher abnehmen, dass er am Ende doch Fremdenführer in Washington State geworden ist.
Aber er hat sich in Berlin verliebt. Wie ihn hat es auch seine beiden Bandkollegen hierher verschlagen. Claudio Donzelli aus Italien und Craig Saunders aus England. Was aber ungewöhnlich ist in Musikerkreisen: Sie sprechen fließend Deutsch. Kein verschämtes Lächeln zum zurechtgelegten Alibi-Satz mit der Erklärung, dass ja sowieso alle immer Englisch mit einem sprechen würden. Gitarrist Craig kann einem so auch das Vertrauen ins deutsche System der Volkshochschulen zurückgeben. Dort liegen nämlich seine frischen aber festen Wurzeln dieser Sprache.
Aber Verständigung mit Worten ist im Grunde überflüssig, sobald die drei Jungs zusammen Musik machen. Ein warmer Folksound entsteht, mit einer Energie wie vom heranrollenden Pazifik. Überhaupt kommen bei ihrem Sound Gefühle von Weite, Natur und Freiheit auf. Ihre drei Stimmen schallen wie aus dem Gebirge, die Gitarren, Mandolinen und manchmal das Piano weben mit wenigen Schlägen einen Teppich aus Erhabenheit und das Schlagzeug nimmt den Bass und uns mit auf eine Zugreise durch diese endlosen Landschaften, die gleichzeitig besänftigen und Sehnsucht einflößen.
Die Texte dazu könnten gut aus der Art Sehnsucht kommen, die Ian in sich spürt, wenn er in Berlin auf die U-Bahn wartet, die Kids sich auf ihren Handys Sounds vorspielen und der Motz-Verkäufer seine Sätze zurechtlegt. Wenn dann die Luft von der Bahn durch den Tunnel auf den Bahnsteig getrieben wird, ist »The Great Northwest« ziemlich weit weg.
Die erste EP, die sie 2010 in Claudios Wohnung aufnahmen, hat ihnen im Netz inzwischen so viele Fans beschert, dass die Band derzeit von zahlreichen Plattenfirmen hofiert wird. Seit einem Jahr sind sie jetzt Vollzeitmusiker. Ihre aktuelle Studio EP »Just One Day« dürfte nur noch der Vorbote zu einem Album sein, das dann über eines der balzenden Labels erscheint. Immerhin haben die Mighty Oaks auch schon auf großen Bühnen bestanden. Vor den Shout Out Louds zum Beispiel, oder Kings Of Leon in der Waldbühne.
Es gibt eben noch genug Eigenes zu erzählen in dieser Musik – auch im fünften Jahr der internationalen Folkwelle. Mit dem Great Northwest im Rücken dürften einem weder die Geschichten noch die Energie so bald zur Neige gehen.
Mighty Oaks Just One Day (EP)
Zughafen
www.mightyoaksmusic.com
Der Artikel erscheint in der Melodie&Rhythmus 5/2013, erhältlich ab dem 30. August 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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