Foto: Rafael Marchante (Reuters)
Der Zoomusikologe Dario Martinelli erforscht die Gesänge von Tieren
Interview: John Lütten
Wale singen, Vögel zwitschern, Wölfe heulen. Aber sind diese Lautäußerungen schon Lieder? Mit solchen Fragen setzt sich die Forschungsdisziplin der Zoomusikologie auseinander. Sie untersucht die Gemeinsamkeiten in der musikalischen Aktivität von Menschen und Tieren. M&R sprach mit dem italienischen Professor für Semiotik Dario Martinelli, der diesen Grenzbereich zwischen Musik- und Naturwissenschaft zum Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht hat.
Im Zentrum Ihrer wissenschaftlichen Arbeit steht die Zoomusikologie. Können Sie bitte erläutern, worum genau es dabei geht?
Kurz gesagt, befasst sich die Zoomusikologie mit jenen tierischen Lautäußerungen, die man als »Musik« statt nur als »Kommunikation« bezeichnen kann. Das sind alle Laute und Töne, die von ihrer Struktur, der Art und Weise ihrer Darbietung, aber auch ihrer Aufnahme beim Gegenüber her so beschaffen sind, dass sie eben eher als »musikalische« Prozesse zu betrachten sind. Es geht wie so oft um eine simple Frage, die dann eine komplexe, wissenschaftliche Beantwortung zur Folge hat: Ist Musik ein rein menschliches Phänomen? Die Antwort ist eine neue Forschungsdisziplin – die Zoomusikologie. Wir sprechen im Alltag einfach so von Musik, aber zu definieren, was genau das ist, fällt uns gewöhnlich sehr schwer. Wir würden wahrscheinlich sagen, dass dabei viele Faktoren zu bedenken sind. Und wir haben über die Jahre gelernt, auch etwas als Musik anzusehen, das für uns traditionell nicht als Musik gilt. Wir haben nichtwestliche, nichtklassische und andere für uns bislang unbekannte Töne und Geräusche als »Musik« anerkannt. Im Hinblick auf nichtmenschliche Laute war das bis in die 1980er-, 1990er-Jahre hinein jedoch schwer umstritten. Dabei gibt es überhaupt keinen Beweis dafür, dass Musik ein rein menschliches Phänomen ist – und dennoch nehmen wir das einfach an. Man hat ja auch lange angenommen, dass Gefühle, Sprache, Intelligenz usw. nur beim Menschen vorkommen.
Wie kommt man dazu, sich mit diesem Themengebiet zu befassen?
Zur Zoomusikologie gibt es, grob vereinfacht, zwei Zugänge: einen musik- und einen naturwissenschaftlichen. Der Musikwissenschaftler wird – so war das bei mir – merken, dass es Sinn macht, sich mit der biologischen Seite von Musik zu befassen, und er wird feststellen, dass es absolut sinnvoll ist, die entsprechenden Interpretationsschemata einmal auf tierische Lautäußerungen zu übertragen – damit lässt sich auch einiges über die Wurzeln von Musik erfahren. …
Dario Martinelli ist Direktor des International Semiotics Institute an der Technischen Universität Kaunas (Litauen). Als Privatdozent ist er darüber hinaus an der Universität Helsinki und der Universität Lappland tätig. Er hat mehrere Monographien zum Thema Zoomusikologie veröffentlicht und rund hundert Artikel in Fachzeitschriften publiziert. Sein jüngstes Buch »Lights, Camera, Bark!« (2014) behandelt die Rolle und Darstellung von Tieren in Kinofilmen.
Das komplette Interview lesen Sie in der M&R 2/2015, erhältlich ab dem 27. Februar 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.