»Der Bilder-Rhythmus verlangt nach Musik«: Chris Jarrett schuf eine Komposition zu Eisensteins Filmklassiker »Panzerkreuzer Potemkin«
Interview: Ulrich Grunert
Sergej Eisenstein (1898-1948) gehört zu den Klassikern der Cineastik. Seine wichtigsten Werke stammen aus einer Zeit, in der Bild und Ton noch nicht synchron aufgenommen werden konnten. Der sowjetische Regisseur schuf unter anderem die Filme »Oktober« (1928) und »Panzerkreuzer Potemkin« (1925) – beides Stummfilme, die nicht von einer eigens komponierten Musik begleitet wurden. Doch entstanden zum »Panzerkreuzer« mit seiner berühmten Treppenszene immer wieder Eigenkompositionen – von 1926, als Edmund Meisel für die deutsche Erstaufführung eine Musik komponierte, bis 2004, als sich die Pet Shop Boys an das Werk trauten (»Battleship Potemkin«). Der Pianist Chris Jarrett gehörte bereits Jahre vor der britischen Popgruppe zu denjenigen, die sich an die musikalische Umsetzung der Filmbilder gemacht haben.
Was war für Sie der Anlass, eine eigene Filmmusik für den »Panzerkreuzer Potemkin« zu schaffen?
Meine Komposition zu dem Film entstand durch einen Zufall. Ich lernte in Oldenburg einen Kinobetreiber kennen, der gern eine Reihe mit klassischen Stummfilmen zur Aufführung bringen wollte. Er sprach mich an, ob ich mir vorstellen könnte, dafür die Musik zu schreiben und diese live während der Aufführung im Kino zu spielen. So wurde ich der Mann am Stummfilmklavier und spielte zu Filmen wie Murnaus »Faust«. Einige dieser Stummfilme waren wegen ihrer Überlänge besonders physisch eine Herausforderung. Als Pianist vor der Leinwand kannst du dir keine Pause gönnen. Gerade Murnaus Filme hatten, was den Schnitt und den Rhythmus betrifft, mitunter große Längen, die musikalisch schwer zu überbrücken waren. Das war bei Eisensteins »Panzerkreuzer Potemkin« anders. Dieser Film hat mich sofort stark angesprochen. Er begleitet mich bis heute.
Panzerkreuzer Potemkin (UdSSR 1925), Regie: Sergej Eisenstein; 63/70 Minuten; Drehbuch: Nina Agadschanowa; Darsteller: Alexander Antonow, Wladimir Barski, Grigori Alexandrow
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 1/2013, erhältlich ab dem 4. Januar 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Chris Jarrett, geboren 1956 in den USA, Pianist, Unterricht bei Vinzent Ruzicka, studierte Klavier und Musikgeschichte am Oberlin Conservatory in Ohio. Als Solo-Pianist ist er im Spannungsfeld zwischen Jazz und Klassik aktiv, spielt im Hardcore-Kammermusik-Ensemble Four Free und arbeitet als Komponist für Ballett, Oper und Film. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt das Album »Wax Cabinet«: Chris Jarrett‘s Four Free (Soulfood).