
Foto: Victor Serri
João Pina erzählt mit seinen Bildern von Verfolgten, Gequälten und Verschwundenen – Geschichten, die vom Vergessen bedroht sind
Interview: Carl F. Steinweg
João Pina wurde 1980 in Lissabon, Portugal, geboren und fotografiert seit seinem 18. Lebensjahr. Er arbeitet sowohl in seinem Heimatland als auch in Südamerika zur Entstehung individueller und struktureller Gewalt. Seine Fotos wurden u.a. in El País, GEO, La Vanguardia, Le Monde, New York Times, Newsweek und dem Stern veröffentlicht, daneben entstanden drei Bücher. Er hatte zahlreiche Ausstellungen in Nord- und Südamerika. 2017/2018 war er Nieman Fellow an der Harvard University. Gegenwärtig lehrt er am International Center of Photography in New York.
Ihr Projekt »Condor« dreht sich um Staatsterrorismus. Was heißt das genau, und warum haben Sie sich damit beschäftigt?
Es geht um Militärdiktaturen in sechs südamerikanischen Ländern – Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Uruguay und Paraguay –, die in den 1970er-Jahren eine gemeinsame Aktion gestartet hatten: »Operation Condor«. Damit wollten sie sich ihrer politischen Opposition entledigen. Das waren hauptsächlich linksgerichtete Bewegungen; einige davon waren bewaffnet, aber die meisten agierten absolut gewaltlos. Mit der Operation Condor sollten sie geheimdienstlich beobachtet und letztlich ausgeschaltet werden. So sind seit 1975, als die Operation offiziell begann – niemand weiß, wann sie wirklich endete –, Zehntausende Menschen verschwunden, von den meisten wurden nicht einmal die Leichen gefunden. Hunderttausende wurden eingesperrt, gefoltert, ins Exil getrieben. Den Zugang zu dem Thema bekam ich durch mein erstes Buch »Por teu livre pensamento« (Durch deine freien Gedanken), das 25 ehemaligen politischen Häftlingen in Portugal gewidmet ist, darunter auch Mitgliedern meiner Familie. So war es irgendwie selbstverständlich, dass ich mich auch in Südamerika, das mich schon immer fasziniert hat, mit den Auswüchsen der Militärdiktaturen auseinandergesetzt habe. Von der Operation Condor habe ich erst dort erfahren und fand es sehr interessant, dass Regierungen von Ländern, die teilweise so etwas wie Erzfeinde waren – wie Argentinien und Chile –, sich an einen Tisch gesetzt haben, um so einen Plan durchzuführen. Es schien mir ein wichtiges Stück Geschichte, das ich mit meiner Kamera visuell erkunden wollte.
Sie wurden sechs Jahre nach der Nelkenrevolution geboren und haben 2007 in Ihrem ersten Buch Mitglieder der Kommunistischen Partei Portugals porträtiert, die gegen das Estado-Novo-Regime gekämpft hatten, verhaftet und gefoltert worden waren.
Es ging dabei um die gesamte Opposition gegen das faschistische Regime Salazars – die am längsten währende Diktatur in Westeuropa im 20. Jahrhundert. Es waren hauptsächlich Mitglieder der Kommunistischen Partei, aber auch progressive Katholiken, Anarchisten, Sozialisten, also meist Linke, aber sogar Leute, die eher aus dem Mitte-rechts-Milieu kamen.
…
In der gedruckten Ausgabe:
Fotoreportage von João Pina: Operation Condor
Spuren der Konterrevolution in Südamerika
Das komplette Interview und die Fotoreportage erscheinen in der Melodie & Rhythmus 4/2019, erhältlich ab dem 13. September 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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