Brutto, Nadeschda Tolokonnikowa, David Gilmour, Boombox, Viktoria Modesta, Neil Tennant, Juliet Stevenson u. a.
KOKO, London
Maciej Zurowski
»Staging a Revolution« – eine Revolution inszenieren – lautete das vieldeutige Motto einer Reihe von Veranstaltungen in London. Darunter ein großes Konzert mit Musikern, die in ihren Heimatländern »verboten« seien. Es handelte sich um das 10-jährige Jubiläum des Freien Theaters Weißrussland, einer »radikalen Untergrund-Gesellschaft«, so die BBC, die das in mehreren Ländern ausgestrahlte Spektakel mit präsentierte. Das Freie Theater habe ein »einmaliges Aufgebot an Performern eingeladen«, so der auf Queen und Empire eingeschworene Staatssender weiter, »die für künstlerische Freiheit und gegen Ungerechtigkeit« protestieren.
Sinn und Zweck war es, den Besuchern zu veranschaulichen, dass es »die Redefreiheit, die wir für selbstverständlich erachten, in anderen Ländern nicht gibt«, wie es Nikolai Khalezin, Mitbegründer des Freien Theaters, in seiner Eröffnungsrede ausdrückte. Dem Publikum – überwiegend kaufkräftige Pink-Floyd-Fans im fortgeschrittenen Alter – leuchtete das ein. Schließlich hatten sie sich an diesem Abend die Freiheit erkauft, allerhand Prominenz beim Sinnieren zum Thema »Revolution« zuzuhören. Kurz noch eine Grußbotschaft von Mick Jagger über die Videoleinwand, dann Bühne frei für die verbotenen Revolutionäre!
»Wir sind heute alle Teil einer Mini-Revolution«, rief das lettische Model Viktoria Modesta dem mit überteuertem Bier versorgten Publikum entgegen. Dann rappte sie: »Ich bin progressiv, nicht aggressiv.« Warum sie in ihrem Heimatland unerwünscht oder gar verboten sein soll, blieb unklar, denn laut Eigeninformation stellt Modesta lediglich »Schönheitsideale infrage« – sie modelt trotz amputiertem Bein – und macht »unheimlich viele progressi- ve Dinge in der Musik- und Modebranche«. Doch bald kam Viktoria auf’s eigentliche Thema zu sprechen. Nicht das Vereinigte Königreich, in dem das Heer noch immer einem Monarchen untersteht, oder etwa Polen mit seiner Klerus-hörigen Rechtsaußen-Regierung, sondern Russland sei das Land, das eine Revolution ganz besonders nötig habe – schließlich sei es um dieses Land »gendermäßig« schlecht bestellt. Welche Revolution als Vorbild dienen könne oder gar solle, wurde von der nächsten Band beantwortet: den aus Weißrussland stammenden, nunmehr in der Ukraine angesiedelten BRUTTO.
Die mit ihrem Hooligan-Image kokettierende Kombo hat sich seit ihrer Gründung vor allem durch ihre offenkundige Unterstützung der Maidan-»Revolution« verdient gemacht. Und ein Hauch Maidan war jetzt auch im Saal zu spüren. Zu pathoserfüllten Refrains und Hauruck-BRUTTO-Rock schossen hier und dort Nationalfahnen aus dem Publikum in die Höhe: die blau-gelbe ukrainische sowie die ehemalige weiß-rot-weiße von Belarus, die heute von der rechtsgerichteten Opposition verwendet wird.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 1/2016, erhältlich ab dem 30. Dezember 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.