Melodie & Rhythmus

Lakonie und Alltag

25.08.2015 15:44
Foto: Peter Stumpf

Foto: Peter Stumpf

Fehlfarben verweigern sich der Altersmilde, ohne verbittert zu wirken

Christoph Kutzer

Wie fängt man das bunte Treiben namens Leben am besten ein? Auf ihren letzten Alben wählten die Fehlfarben wenige präzise Pinselstriche. »Xenophonie« wurde in nur fünf Tagen eingespielt. Die Arbeit an »Über… Menschen« zog sich hingegen mehr als zwei Jahre hin. »Wir hätten unseren Sound nur noch durch die Beschränkung auf vier Kanäle weiter reduzieren können«, berichtet Keyboarder Kurt Dahlke gegenüber M&R. »Stattdessen haben wir an ›Knietief im Dispo‹ angeknüpft, wieder selbst produziert und sehr viel Material eingespielt. Wir haben uns richtig Mühe gegeben.«

Bemüht oder überladen klingen die Songs nicht. Auch die lakonischen Alltagsbeobachtungen von Sänger Peter Hein wirken, wie gewohnt, locker hingeworfen, gleichzeitig aber ungemein treffsicher. Sie sind reich an prägnanten Zeilen. Parolen müssen erst andere daraus machen. Hein doziert nicht. Hein benennt, was ihm gegen den Strich geht, was ihm aufstößt oder auffällt. Vieles bleibt dabei offen für Interpretationen. »Als er mit ›Rein oder raus‹ ankam, fragten wir ihn vorsichtig, ob er es wirklich gut fände, so ein plakatives Lied über Flüchtlinge zu machen«, erinnert sich Kurt. »Er schaute uns nur groß an und meinte: ›Darum geht es doch überhaupt nicht!‹ Der Text kreist um die Gentrifizierung. Alle wollen nach Berlin und die Berliner verlassen die Stadt.«

Viele der neuen Großstädter gehören zu einer Bevölkerungsgruppe, mit der sich Peter Hein vorgeblich gar nicht weiter auseinandersetzen will: »Hör mal, ich brech doch keinen Streit vom Zaun mit Generationen, die sich nichts traun«, heißt es in »Der Dinge Stand«. Die Selbstironie folgt auf dem Fuße, wenn sich der Sänger als alter Sack outet. Nein, hier wird nicht die Jugend per se abgekanzelt. Der Text nimmt lediglich Symptome aufs Korn. »Auf eine Art beneide ich die Jugend wirklich nicht«, sagt Dahlke. »Ich hatte früher klar definierte Feindbilder in der Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Heute sehe ich Väter, die mit ihrer Tochter und deren Freund in den gleichen Club gehen. Wie soll man sich da von den Eltern absetzen?«

Fehlfarben Über… Menschen
Tapete Records
www.fehlfarben.com

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2015, erhältlich ab dem 28. August 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

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