Melodie & Rhythmus

»Jesus haben sie auch nicht ernst genommen«

25.04.2012 11:02
Schwerpunkt Pop & Religion

Nina Hagen
Nina Hagen schwingt sich mit Brecht in den Himmel
Interview: Thomas Wagner, Fotos: Christan Ditsch

Manche wollen es ihr bis heute nicht abnehmen: Die Godmother des schrillen deutschen Rock mit Punkattitüde ist eine seit langem fest im christlichen Glauben verwurzelte Kirchgängerin. Mit Bekanntgabe ihrer Erwachsenentaufe und demonstrativen Auftritten in Kirchen hat sie ihrem Bekenntnis zum Nazarener öffentlich Nachdruck verliehen. Wer jedoch glaubt, die in der DDR in einer antifaschistischen Künstlerfamilie aufgewachsene Sängerin habe sich in ihren reiferen Jahren nun auch mit dem Establishment arrangiert, sieht sich getäuscht: In dem von Nina Hagen gelebten Christentum gibt es keine Trennung zwischen Glaubensbekenntnis und ganz konkretem politischen Engagement.

Nina Hagen steht für eine Kirche von unten, die basisdemokratisch und beherzt gegen Atomlobby, wirtschaftliche Ausbeutung, verantwortungslos agierende Politiker und mörderische Kriegseinsätze die Stimme erhebt. Gemeinsam mit Ingrid Caven, Marion Küpker und ihrem evangelischen Taufpastor Kalle ter Horst schrieb sie am 26. September 2006 einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Darin heißt es: »Deutschland ist die logistische Drehscheibe für US-Kriege in Irak, Afghanistan und angedrohte weitere Kriege im Mittleren Osten. (…) Zur weiteren Nutzung der USStützpunkte in Deutschland für illegale Kriege und für kriminelle Kriegsmethoden kann – und muss – Deutschland endlich mal NEIN sagen!« Das 2010 veröffentlichte Gospel- Album »Personal Jesus« bedeutete keine Abkehr von der Rockmusik.

Sie sagen, der Rock‘n‘Roll ist nicht teuflisch, sondern göttlich.
Ja, natürlich!

Nina Hagen im InterviewWieso denn?
Weil er von den Sklaven kommt, die damals in Amerika von den »Herrenmenschen« zur Arbeit gezwungen wurden. Diese »Herrenmenschen« sind sonntags immer in die Kirche gegangen und haben dort ihre Gottesdienste gefeiert. Das war der Moment, wo die Sklaven an den Kirchentüren gelauscht haben, was die da machen. Auf diese Weise haben sie die großartige Botschaft von Jesus Christus mitgekriegt: das Evangelium, den Gospel. Das haben sie sich während ihrer Sklavenarbeit dann gegenseitig vorgesungen. Daraus sind die Spirituals, die Gospel-Musik, der Blues und schließlich der Rock‘n‘Roll entstanden. Elvis Presley hat sich von der schwarzen amerikanischen Gospel-Sängerin Sister Rosetta Tharpe inspirieren lassen, die mit der Gitarre schon den absoluten Rock‘n‘Roll gespielt und gesungen hat. Ihre Freundin Marie Knight, mit der sie eine Zeit lang unterwegs war, hat in den Fifties den Ober- Rock‘n‘Roll gesungen (singt): »I told you not to tell them«. Da kommt die heutige Rockmusik her: von der Musik der Schwarzen, dem Gospel.
Als ich als Kind in den siebziger Jahren in Westdeutschland in die Kirche ging, war es gerade Mode geworden, neue, populäre Musikelemente in den Gottesdienst einzubauen. Dort wurde versucht, eine Art von Rockmusik zu spielen. Ich fand das furchtbar brav und überhaupt nicht spannend.
Da gab es doch den »Jesuspilz«, Witthüser & Westrupp, oder wie die hießen. Die sind in den siebziger Jahren mit einer Jesus-Oper durch die deutschen Kirchen getourt.

War das gut?
Na ja, die Leute im Publikum fanden das merkwürdig, aber die jungen Leute haben das damals gut gemacht.

Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 3/2012, erhältlich ab dem 27. April 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.

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