Melodie & Rhythmus

Böse Kriegsspiele

26.08.2014 14:02

PropagandaEine Ausstellung klärt über die PR-Strategien des Ersten Weltkriegs auf

Eine 400 Exponate umfassende Ausstellung mit dem Titel »Krieg und Propaganda 14/18« über den Ersten Weltkrieg dokumentiert eindringlich, wie Begeisterung für legalisierten Massenmord produziert wird. Gräuelmärchen, Dämonisierung, Entmenschlichung: Die Strategien und Methoden der von allen Konfliktparteien betriebenen Aufhetzung werden im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg anhand anschaulicher Beweise offengelegt. So wurden zwecks Mobilmachung der Bevölkerung und Forcierung uneingeschränkter Kadavertreue Fotos inszeniert und montiert. Fälschungen und Verzerrungen des Frontgeschehens sollten über die Brutalität der Graben- und Stellungskämpfe hinwegtäuschen.

Soldaten- und Heimatlieder verharmlosten ebenfalls. Plakate, Postkarten und sogar Spielzeug stellten Krieg als großartigen Lebensinhalt dar. Alle Bereiche des Alltags wurden mit »eingezogen«. Motto: Krieg für alle – mit Puppen, Brettspielen und Holzpanzer auch für Kinder. Den bösen Kriegsspielen folgten verlogene Romanzen: Keine Liebesgeschichte mehr ohne Pickelhaube! Aber ohne Damen mit meterlangem Haar, denn Frauenhaar war ein Ersatzstoff, um Riemen und Filz herzustellen. Auch Prominente, von denen man es heute nicht vermuten würde (dank einer anderen Werbung, nämlich der der Filmindustrie), waren als Kriegstreiber aktiv: Charles Chaplin trat 1918 mit Megaphon und viel Dummheit bewaffnet bei einer Kriegskundgebung in New York auf.

Gisela Sonnenburg

Krieg und Propaganda 14/18
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Bis 2. November 2014
www.propaganda1418.de

Der Beitrag erscheint in der M&R 5/2014, erhältlich ab dem 29. August 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

Ähnliche Artikel:

Anzeigen

TOP 10: Oktober 2024

Liederbestenliste

Ältere M&R-Newsletter

Aus dem M&R-Archiv

Auf Ostfrontlinie gebracht
Nationalistische Parolen, Geschichtsklitterung, Hassexzesse, sogar Begeisterung für den totalen Krieg – einer wachsenden Zahl von Künstlern und Intellektuellen ist offenbar jedes Mittel recht, um sich der neuen Volksgemeinschaft gegen Russland anzudienen. weiterlesen

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Rudolstadtfestival 2023: Viva Cuba

Fotos von Katja Koschmieder und Jens Schulze weiterlesen

In eigener Sache

Wenn die Kraft fehlt
Weshalb der Verlag 8. Mai das Kulturmagazin Melodie & Rhythmus einstellt

Leider müssen wir heute eine schmerzliche Niederlage eingestehen: Das Magazin für Gegenkultur Melodie & Rhythmus (M&R) kann nicht weiter erscheinen. Das hat verschiedene Gründe, sie sind aber vor allem in unserer Schwäche und in der der Linken insgesamt zu sehen. weiterlesen

*****************

»Man hat sich im ›Grand Hotel Abgrund‹ eingerichtet«
Zum Niedergang des linken Kulturjournalismus – und was jetzt zu tun ist. Ein Gespräch mit Susann Witt-Stahl

Ausgerechnet vor einem heißen Herbst mit Antikriegs- und Sozialprotesten wird M&R auf Eis gelegt – ist das nicht ein besonders schlechter Zeitpunkt?
Ja, natürlich. … weiterlesen

logo-373x100

Facebookhttps://www.facebook.com/melodieundrhythmus20Twitter20rss

Jetzt abonnieren

flashback