Der Kampf für sexuelle Freiheitsrechte steht als Propaganda-Instrument des Imperialismus in der Kritik
Solange die Diskriminierung aller jenseits der heterosexuellen Norm lebenden Menschen nicht der Vergangenheit angehört, muss die Durchsetzung des Rechts auf gesellschaftliche und sexuelle Selbstbestimmung auf der Emanzipations agenda stehen. Die Bewegung, die sich dafür einsetzt – bekannt durch das Akronym LGBT (Lesbian, Gays, Bisexual, Transgender) – und auch von vielen Künstlern unterstützt wird, hat im vergangenen Jahrzehnt beachtliche politische Erfolge erzielt. Aber in Zeiten von Pegida & Co und Legitimierungsnöten wachsender imperialer Machtansprüche der NATO-Länder bescheinigen Kritiker LGBT regressive Tendenzen: Muslimische Einwanderer und die Bevölkerung Russlands würden pauschal als »schwulenfeindlich« diffamiert. LGBT fungiere immer häufiger als Verschleierungsideologie von antimuslimischem Rassismus, antirussischen Ressentiments und Kriegstreiberei. Dagegen halten viele LGBT-Verfechter solche Instrumentalisierungsvorwürfe für substanzlos und vorgeschoben. Nicht wenige meinen sogar, das Bekenntnis zur westlichen Zivilisation sei untrennbar mit dem Kampf für LGBT-Rechte verbunden. Wir lassen die These diskutieren:
LGBT ist in weiten Teilen zur Ideologie verkommen.
PRO
Werkzeug neoliberaler Durchdringung
In der Vorstellungswelt der Linken wie der Rechten, in Europa wie in den USA, gelten »LGBT-Rechte« als unantastbar. In Deutschland wird die Durchsetzung der gleichgeschlechtlichen Ehe als Prüfstein für den Grad gesellschaftlichen Fortschritts gesehen. Dies geht einher mit der Dämonisierung muslimischer Einwanderer und Flüchtlinge, denen eine schwulenfeindliche Einstellung unterstellt wird. Die »westliche Zivilisation« erscheint dagegen als befriedend. …
Yasmin Nair ist Mitbegründerin des Autorenkollektivs Against Equality und Mitglied der Chicagoer Queer- Aktivisten Gender JUST. Demnächst erscheint ihr Buch »Strange Love. Neoliberalism, Aff ect, and the Invention of Social Justice«. Nähere Infos: yasminnair.net
Foto: Yasmin Nair
CONTRA
Die Vereinnahmung fruchtet nicht
Zu denken, dass »LGBT in weiten Teilen zur Ideologie verkommen« sei, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Es rückt den täglich notwendigen Kampf für Toleranz, Akzeptanz und gleiche Rechte ins Unnötige, geradezu Lächerliche. Meiner Erfahrung nach wird diese These nur von denen angeführt, die ein Problem mit LGBTIQ* haben. …
Michael Rädel ist seit 2003 Chefredakteur der blu Mediengruppe, die landesweit Stadtmagazine (blu, gab, rik, leo und hinnerk) und das Internetportal blu.fm für die LGBTIQ*-Community heraus – gibt. Als Autor ist er auch für die Zeitschrift Mate tätig.
Foto: Michael Rädel
Die kompletten Debattenbeiträge lesen Sie in der Melodie & Rhythmus 3/2017, erhältlich ab dem 30. Juni 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.