Krieg und Frieden! – Deep Purple auf dem Trip zur eigenen Legende
Deep Purple! Kaum eine andere Band hat im Lauf der Jahrzehnte so polarisiert, wie die fünf Herren, die 1968 mit »Hush« ihren ersten Hit hatten und vier Jahre später in veränderter Besetzung mit »Smoke On The Water« das wohl bekannteste Intro der Rockgeschichte erfanden. Ein Versehen, wie sich später herausstellte, denn eigentlich sollte der Song nie veröffentlicht werden. Für die einen sind sie die genialen Überf lieger des Hardrock und Gottväter der Rock-Improvisation. Für die anderen vereint die Band alles, was an den siebziger Jahren verabscheuungswürdig ist.
Unbestritten ist, dass Deep Purple einige geniale Songs auf dem Konto haben. Mit ihrem Album »In Rock« veränderten sie 1970 das allgemeine Hörverhalten wie vor ihnen nur die Beatles und danach erst wieder die Sex Pistols. Ritchie Blackmores Gitarre, Jon Lords Hammondorgel, Ian Paice’ jazziges Schlagzeug und Ian Gillans aufpeitschender Gesang, dazu Roger Glovers stoische Routine waren ein extrem explosives Gemisch. Songs wie »Child In Time« – ein Plagiat des Originals »Bombay Calling« von der kalifornischen Band It’s A Beautiful Day – »Black Night« oder »Highway Star« haben sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben.
Wahr ist aber auch, dass keine andere Band es so hervorragend verstand, sich immer wieder selbst zu demontieren, wie Deep Purple. Die Rollen waren klar verteilt: Ritchie Blackmore, das diabolische Genie, der Bad Boy, der sich für keinen Skandal zu schade war. Und Jon Lord, der Halbgott, der sensible Künstler, der die Hardrock-Heroen tief in der Tradition der europäischen Klassik verankerte. Ihre Battles sind legendär, die Presse hat sich stets mit eitler Gier auf den Dauerkonf likt der beiden Kontrahenten gestürzt. Die wahre Demarkationslinie verlief jemdoch ganz woanders. Die beiden unversöhnlichen Streithähne waren Blackmore und Gillan. Erst nachdem Gillan und Glover gegangen bzw. gef logen und statt ihrer David Coverdale und Glenn Hughes gekommen waren, wurde lustig an allen Fronten intrigiert.
Lang ist’s her. Blackmore und Lord sind längst Geschichte, Coverdale und Hughes trimmen sich mit Whitesnake und Black Country Communion auf ewige Jugend. Gillan und Glover sind zurück, Paice hält seit eh und je die Stellung, und Steve Morse und Don Airey sind für Gitarre und Keyboards zuständig. Es wird nicht mehr so viel gebattlet, dafür ist Frieden in der streitlustigsten Band der Welt eingekehrt. Selbst eingef leischte Purple-Hasser müssen anerkennen, dass es Spaß macht, den alten Herren zuzuschauen, wenn sie sich übermütig in die gewaltige eigene Opera Omnia stürzen.
1969 waren sie die erste Band, die mit einem Sinfonieorchester auftrat. Was damals in beiden Welten von Klassik und Rock bestenfalls Befremden auslöste, gehört heute längst zum guten Ton. Im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen wissen Deep Purple genau, was sie tun, wenn sie mit einem klassischen Orchester auftreten, selbst wenn sie nicht Jon Lords originäre Kompositionen »Concerto« oder »Gemini Suite« aufführen, sondern einfach nur ihre zahlreichen Klassiker aufmotzen.
Wolf Kampmann
m&r-Interview mit Roger Glover: »Mein Leben ist noch immer in Aufruhr…«
Schwerin, Sport – und Kongresshalle, 4. Dezember 2011
Infos unter: www.stadthalle-schwerin.de