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EDITORIAL
Der Firnis der kapitalistischen Zivilisation ist bekanntermaßen dünn. Das gilt freilich auch für die Vernunft, die in ihr herrscht. Weil sie eine instrumentelle ist, die nur dem unvernünftigen Zweck der Warentauschgesellschaft dient und dabei keine Antwort auf die existenziellen Fragen der Menschheit liefert, droht sie, in schweren Zeiten noch hinter die Religion zurückzufallen. »Die finstre Not, die Aussichtslosigkeit, die für viele unbegreiflichen Gesetze der Krise machen die Menschen reif für ›Wunder‹«, notierte die Malerin und Kommunistin Lea Grundig 1974. weiterlesen
Magazin
Der letzte Prolet?
Das Liedgut des Arbeitersängers Ernst Busch soll mit einer Comic-Oper aktualisiert werden
Nachdem der bisher auf Identitätspolitik fixierte linke Mainstream in den vergangenen Jahren begonnen hat, sich für die Realität der Klassengesellschaft zu interessieren, widmet man sich nun auch in den Hochkulturtempeln wieder dem »Proleten«. weiterlesen
Harmlose Götzin der Sozialdemokratie?
Wie die Erinnerung an eine große Revolutionärin ins Vergessen gestürzt wird
Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung nimmt den 150. Geburtstag ihrer Namensgeberin zum Anlass, im Bundestagswahljahr allerlei mit rot-rot-grünen Regierungsträumen kompatible Entdeckungen zu präsentieren. So ist etwa auf einer neuen Webseite mit dem Titel »RS LXMBRG – Die Andersdenkende« zu erfahren, dass bürgerliche Freiheiten – inklusive »der Freiheit des Eigentums« –, die heute »zum nicht antastbaren Kernbestand des Grundgesetzes der Bundesrepublik gehören«, für Luxemburg »nicht verhandelbar« gewesen seien. weiterlesen
KUNST & KÜNSTLER
ERICH FRIED ZUM 100. GEBURTSTAG
Rettung der Welt vor der Wirklichkeit
Melodie & Rhythmus veranstaltet am 7. und 8. Mai 2021 gemeinsam mit der Tageszeitung junge Welt eine große Filmschau und Gala im Kino Babylon in Berlin. Die M&R-Redaktion sprach mit Mitwirkenden, die den Dichter persönlich kannten oder seine Werke interpretiert haben: Rolf Becker, Jill Evans, Klaus Fried, Claudia Hahm, Chris Jarrett, Gerhard Lampe, Martin Rosenbaum, Roland Steiner, Barbara Thalheim. weiterlesen
Foto: Catherine Fried-Boswell
Eine realistische Sicht
Wiktor Kossakowski gewährt mit seinem Dokumentarfilm »Gunda« unverstellte Einblicke in das Leben der Schweine in der Fleischwaren produzierenden Gesellschaft
Die Stars in dem neuen Film von Wiktor Kossakowski sind eine Sau, ihre Jungen, zwei Kühe und ein einbeiniges Huhn. Der russische Filmemacher drehte auf Bauernhöfen in drei verschiedenen europäischen Ländern, um den Alltag der Nutztiere zu dokumentieren. Sein Werk ist ein berührendes Plädoyer für einen radikal anderen Umgang des Menschen mit den Tieren und für vernünftig eingerichtete gesellschaftliche Naturverhältnisse. Zu Redaktionsschluss fand es sich auf der Oscar-Shortlist, Kategorie »Dokumentarfilm«. M&R sprach mit Wiktor Kossakowski über die Dreharbeiten, das Casting, die Hauptdarsteller, speziesistische und antispeziesistische Perspektiven. weiterlesen
»Wir waren uns einmal einig: Nie wieder!«
Die Schriftstellerin Gisela Steineckert blickt auf ein langes, bewegtes Leben zurück
»Langsame Entfernung. Gedanken, Gedichte und Voraussichten« ist der Titel ihres neuen Buchs, in dem sie anlässlich ihres 90. Geburtstags am 13. Mai 2021 Erinnerungen, auch an Schicksalsschläge, teilt. M&R sprach mit Steineckert über ihr soziales und kulturpolitisches Engagement sowie den Rechtsruck in der Gesellschaft der BRD. weiterlesen
TITELTHEMA: WAHN & IRRATIONALISMUS
»Die Aura isch intakt«
Warum machen Esoterik, Okkultismus und Wahn regelmäßig Karriere? Unter anderem, weil Krisen und Geheimdienste nachhelfenAls sich in der Bundesrepublik die außerparlamentarische Opposition zur Protestbewegung formierte, veröffentlichte der Fischer-Taschenbuchverlag im September 1966 den Band »Von Nietzsche zu Hitler oder Der Irrationalismus und die deutsche Politik« des ungarischen Marxisten Georg Lukács. Im Vorwort erläuterte der Autor historisch-materialistisch: Jede reale Alternative des Lebens werde zwar »von der objektiven geschichtlichgesellschaftlichen Entwicklung gestellt«, stets aber sei er sich darüber im Klaren gewesen, »dass nie eine Alternativentscheidung gefällt wird, bei der die Weltanschauung der Beteiligten einflusslos geblieben wäre«. weiterlesen
Der Gott der Reichen
Die christliche Rechte und ihre aberwitzigen Heilslehren sind in den USA ein Massenphänomen – vor allem zum Zweck der Durchsetzung weltlicher InteressenWährend extreme Ausformungen von christlicher Religiosität in Deutschland derzeit ein Randphänomen darstellen und verschiedene Varianten rechter Esoterik eine weit größere Anhängerschaft finden, wird die Reaktion in den USA vom Christentum dominiert. Zwar nimmt der Bevölkerungsanteil der weißen Anhängerschaft evangelikaler Gruppierungen stetig ab – von 22 Prozent im Jahr 2006 auf nur noch 17 Prozent 2016 –, im Gegenzug radikalisiert sich die verbleibende Schar der Gläubigen jedoch kontinuierlich. weiterlesen
Foto: Imago Images / Danita Delimont»Einsturz des satanischen Lügengebäudes«
Der antikommunistische Irrationalismus der kapitalistischen Vernunft in Kulturindustrie, Politik und GesellschaftEine Heerschar junger Menschen pilgerte ab Ende der 1970er-Jahre aus allen Teilen der westlichen Welt zu dem Guru Bhagwan nach Indien. Waren viele von ihnen wenige Monate zuvor noch in den Metropolen mit linken Organisationen gegen imperialistische Kriege marschiert, schwebten sie nun auf den erleuchteten Pfaden des »Gesegneten« in einen Aschram, den eine großzügige Reedereierbin spendiert hatte. weiterlesen
WERKE
»Erleuchtung der Welt«
Esoterik als zweite Realität
Fotoreportage von Klaus Pichler weiterlesen
Foto: Klaus Pichler
Die Lackschicht auf dem Kapitalismus
Klaus Pichler reinszeniert den Esoterikmarkt als apokalyptische Hochglanzwelt
Der Wiener Fotograf arbeitet seit 15 Jahren an der Schnittstelle zwischen klassischer Dokumentarfotografie und bildender Kunst. Seine 2017 in einem Buch erschienene Fotoreihe »This Will Change Your Life Forever« entstand nach einer zweijährigen Undercoverrecherche in der Esoterikszene und präsentiert mit tiefgründigem Humor die von ihr vertriebenen Produkte, Visualisierungen ihrer Theorien und Reinszenierungen ihrer Rituale. M&R sprach mit Klaus Pichler über die Ästhetik der Überhöhung, das ausgeklügelte Marketing für Waren ohne Gebrauchswert und die Verbindung zwischen Esoterik und Naziokkultismus.weiterlesen
KRITIK & REFLEXION
Zahlenspiele und Lobbynomics
Was hinter den Statistiken der Musikindustrie steckt
In der Musikindustrie dreht sich alles um Zahlen. Die Chefetagen sind besessen von Nummer-eins-Hits und honorieren Alben und Songs ab einer bestimmten Anzahl verkaufter Stückzahlen mit Gold und Platin. In Zeiten von Streaming und Big Data nutzen sie Algorithmen, um den nächsten Erfolg vorherzusagen. Sie versorgen die Nutzer von Streamingportalen mit maßgeschneiderten Playlists, damit diese nicht aufhören, Klicks zu generieren. weiterlesen
Foto: Imago / Alexander Limbach
»Ich habe das Richtige getan«
Der palästinensische Schauspieler und Regisseur Mohammad Bakri zum Verbot seines Films »Dschenin, Dschenin«
Mohammad Bakri drehte 2002 im Flüchtlingslager Dschenin im besetzten Westjordanland seinen Dokumentarfilm »Dschenin, Dschenin« (englischer Originaltitel: »Jenin, Jenin«). Darin werden Massaker und andere Kriegsverbrechen angeklagt, die das israelische Militär gegen Bewohner verübt haben soll. Seitdem ist Bakri dem Vorwurf der Verbreitung antiisraelischer Propaganda ausgesetzt. Im Januar 2021 schließlich wurde sein Film in Israel verboten. M&R sprach mit Mohammad Bakri über die Zensurmaßnahme und die Folgen. weiterlesen
Poesie des Antirassismus
Eine Ausstellung präsentiert Assemblagen und Papierarbeiten der afroamerikanischen Künstlerin Betye Saar
Im Herbst 2019 wurde in den USA das Werk der damals 93-jährigen Künstlerin Betye Saar »wiederentdeckt«. Dabei folgte man einer kuratorischen Neuausrichtung, die das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) exemplarisch vollzogen hatte. weiterlesen
POLITISCHE KULTUR & ZEITGEIST
Dollar-Künstler
Der neue antikubanische Kulturkampf und seine US-amerikanischen Mäzene
Irgendwo in den Facebook-Gefilden Mark Zuckerbergs findet man noch das Projekt »Expres Arte en Libertad« und die Aufforderung, einen »Tweet der Freiheit« mit dem Hashtag »Cubacultura« abzusetzen: »Gewinne 250 US-Dollar!«, hieß es dazu. Propagiert wurde die »Expresskunst« über das von Madrid aus betriebene Onlineportal Diario de Cuba. weiterlesen
Missbrauchtes Trauma
Der britische Publizist Dan Glass über seine jüdischen Erfahrungen im Täterland
Dan Glass ist Autor, Künstler, LGBTQ-Aktivist und Enkel deutsch- und polnisch-jüdischer Holocaustüberlebender. Seit Jahren engagiert sich der Londoner für verschiedene politische Bewegungen und Kampagnen. 2020 war er Protagonist in dem Dokumentarfilm »Censoring Palestine. The Weaponisation of Anti-Semitism« des linken Medienkollektivs Redfish. M&R sprach mit Dan Glass über die Dreharbeiten und seine Erlebnisse in Deutschland. weiterlesen
STANDPUNKTE
Die Sprache, in der man nicht lügen kann …
Erich Fried und sein Weg zur politischen Lyrik
Erich Fried fehlt gerade heute – in einer Zeit von Hatespeech und Fake News. Ich vermisse schmerzlich seine Haltung und seine Dichtkunst, die durch ihre hellsichtigen Worte helfen könnte, allgegenwärtige Propaganda als Lügen zu entlarven. Er wurde am 6. Mai 1921 in Wien als einziges Kind jüdischer Eltern geboren und ist am 22. November 1988 in Baden-Baden gestorben. weiterlesen
Ursache und Wirkung
Erich Frieds Erfahrung als jüdischer Antifaschist und die Anklage eines großen Verrats
Mein Vater war ein Dichter, und zwar ein guter, wie man mir erzählt hat. Aber ich habe nicht die Autorität, das zu beurteilen, denn ich habe seine Werke nur in Übersetzung gelesen. Er floh 1938 aus Österreich, nachdem sein Vater von der Gestapo ermordet worden war, und ich wuchs zusammen mit meinen Geschwistern in Großbritannien auf, wo die Engländer selbst schon Mühe haben, ihre eigene Sprache zu lernen. weiterlesen
ERICH FRIED ZUM 100. GEBURTSTAG
Der Geist, der stets verneint
Gespräch mit Moshe Zuckermann über die Wirkmacht der Kritik und die ideologische Enteignung des marxistischen Intellektuellen in der spätkapitalistischen Gesellschaft
Erich Fried gehörte in der Bonner Republik bis zu seinem Tod 1988 zu den renommiertesten wie umstrittensten Schriftstellern und Intellektuellen. Moshe Zuckermann und Susann Witt-Stahl fragen nach der Bedeutung seiner ideologiekritischen Dichtung und seiner politischen Interventionen heute: in einer postmodern zugerichteten Welt, in der die Wahrheit suspendiert und der Intellektuelle in den kapitalistischen wie nationalen Konsens integriert wird. Das Gespräch enthält Auszüge aus dem Buch »Gegen Entfremdung. Lyriker der Emanzipation und streitbarer Intellektueller«, das im April 2021 im Westend Verlag erscheint. weiterlesen
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