Xavier Giannoli über eine Hobbysängerin, die sich für eine große Operndiva hielt
Matthias von Viereck
»Die Musik«, so hat das Wolfgang Amadeus Mozart formuliert, »soll auch in der schauervollsten Lage niemals das Ohr beleidigen, sondern doch dabei Vergnügen, folglich allzeit Musik bleiben.« Die Protagonistin des Films »Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne«, eine Adlige im Paris der 1920er-Jahre, liebt die Oper, und Mozart schätzt sie auch. Ihr Vortrag aber einer populären Arie aus dessen »Zauberflöte« gleich zu Beginn des Films ist – man muss das leider so sagen – tatsächlich eine Beleidigung fürs Ohr. Madame Marguerites Zuhörer dagegen applaudieren artig; es gibt keinen Protest und auch keine Buhrufe. Wir befinden uns in einem hochherrschaftlichen Landhaus vor den Toren von Paris mit erlesenem Publikum, Gastgeber ist der sogenannte Amadeus-Club – eine eingeweihte Gemeinde, die nicht zum ersten Mal mit Marguerites zweifelhafter Gesangskunst konfrontiert wird.
Seit Jahren schon, und das ist der Clou dieses »nach einer wahren Geschichte« erzählten Films des französischen Regisseurs Xavier Giannoli (»Chanson d’amour«), wird Marguerite, die anscheinend über ein riesiges Vermögen verfügt, von ihrem Mann, ihrem Butler und überhaupt ihrem ganzen engeren Umfeld in dem Glauben gelassen, sie könne tatsächlich singen. Die Baronin sammelt zwar historische Partituren (1487 nennt sie ihr Eigen) und Opernkostüme, nie aber hat sie eine Gesangsausbildung genossen, und nie ist sie bisher vor einem nicht eingeweihten Publikum, nie wirklich öffentlich aufgetreten. Ein junger Journalist aber, der sich in den Amadeus-Club hereingeschmuggelt hat, verfasst einen schwärmerischen Artikel über ihren Auftritt – offenbar sieht der junge Kerl mit der exaltierten Frisur in Marguerite eine große Avantgarde-Künstlerin.
Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne
Concorde
Filmstart: 29. Oktober 2015
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 6/2015, erhältlich ab dem 30. Oktober 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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