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Screenshot: Youtube
In Berlin tagte die Antikriegskonferenz
Michael Zander
Wie wurde aus der Forderung »Nie wieder Krieg« die Maxime »Nie wieder Krieg ohne uns«? Diese Frage stellte der Historiker Jörg Wollenberg am Beginn seines Vortrags den rund 100 Teilnehmern der Antikriegskonferenz, die vom 3. bis 5. Oktober im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte stattfand. Wollenberg rekonstruierte die Kriegsziele des deutschen Imperialismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg, zu denen Europa unter deutscher Hegemonie und auch die Kontrolle über die Ukraine gehörte. Er erinnerte an Kriegstreiber wie den Propaganda- Forscher Johann Plenge und seinen Sponsor, den später faschistischen Kaffeefabrikanten Ludwig Roselius, aber auch an Kriegsgegner (darunter der Philosoph Theodor Lessing, der Schriftsteller Erich Mühsam, der Gewerkschafter Otto Brenner oder der Sozialist Walter Fabian). »Deutschland zuerst!«, so Wollenberg, sei der Grundgedanke einer deutschnationalen Sichtweise, die den »Ideen von 1914« ebenso zugrunde liegen wie den Reden des heutigen Bundespräsidenten.
Wollenbergs Ausführungen folgte ein Referat der Musikwissenschaftlerin und Chefredakteurin von M&R – Medienpartner der Antikriegskonferenz – Susann Witt-Stahl über Krieg und Populärkultur. Sie sprach über die »dunkle Seite des Pop«, der Instrumentalisierung populärer Musik für Kriegspropaganda, und markierte den 11. September 2001 als einen Wendepunkt: Während im Vietnamkrieg bedeutende Musiker auf der Seite der Friedensbewegung standen, hätten 2001 Pop-Ikonen die Regierung unterstützt. Kylie Minogue, Mariah Carey und Joan Jett seien als Frontunterhalter aufgetreten. Paul McCartney habe die USA als »greatest democracy on earth« gefeiert; demgegenüber sei Richard Gere vom Publikum ausgebuht worden, als er bei der Tribute-to-Heroes-Gala als einziger das Wort »Frieden« in den Mund genommen habe. In Deutschland, so Witt-Stahl, sei die Entwicklung ähnlich verlaufen. Während in den 90ern Gunter Gabriel mit seinem »Haus im Kosovo« – eine kriegspropagandistische Cover-Version von »House of the Rising Sun« – bei den KFOR-Truppen noch allein dagestanden habe, traten nach 9/11 Peter Maffay, Paul Kalkbrenner und Sarah Connor bei den deutschen ISAF-Soldaten in Afghanistan auf. Witt-Stahls Thesen, dass es eine totalitäre gesamtkunstwerkliche Ausrichtung der Kulturindustrie und »Ästhetisierung der Politik« gebe, wurden anschließend kontrovers diskutiert.
Im dritten Beitrag des Abends skizzierte Matthias Jochheim (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs) die Geschichte des aktuellen Ukraine-Konflikts, angefangen bei den Verhandlungen über ein Wirtschaftsabkommen mit der EU, über die Maidan-Proteste und den Sturz des gewählten Präsidenten bis zum gegenwärtigen Bürgerkrieg. Dabei hob Jochheim insbesondere auf die Einmischungspolitik und die ökonomischen Interessen des Westens ab und auf die Gefahren, die darin für die Bevölkerung stecken.
Insgesamt konnte sich das Programm der Konferenz sehen lassen. Themen waren u.a. der »Info-« und »Cyberkrieg«, das »virtuelle Schlachtfeld« (R. Gössner, H.-J. Kreowski, M. Schulze von Glaser) und der Zusammenhang zwischen Krieg und Freihandel. Mitorganisator Rudolph Bauer vom Bremer Friedensforum nannte als Ziel der Konferenz, jener Mehrheit ein Gesicht zu geben, die gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sei und von den Medien übergangen werde. Für das kommende Jahr sind weitere lokale Antikriegskonferenzen geplant.
Der Beitrag erscheint in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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