Über die Schwierigkeiten des Ostrocks im Westen: Christian Hentschel belebte M&R nach dreizehn Jahren Pause wieder
Interview: Raoul Wilsterer, Fotos: Gunnar Leue
Die letzte Ausgabe von M&R nach der DDR war die Nummer 3/1991. Wie haben Sie das Ende von M&R erlebt?
Ich hatte mir die Zeitung 1990 weiterhin gekauft. Plötzlich war die überall erhältlich. Man musste sich keinen Kopf machen, ob man eine erwischt am Kiosk. Sie wurde wesentlich teurer, kostete nicht mehr 1,25 Mark Ost, sondern 1,80 Mark West, glaube ich. Sie war dann auch nicht mehr so spannend. Besonders bei den West-Themen hinkte sie hinterher. Was in M&R stand, hatte man vorher schon woanders gelesen. Das Ende war unspektakulär. Ich kann mich aber entsinnen, dass sich die Redaktion damit verabschiedete, dass es zwar noch genügend Leser gibt, aber keine Vertriebsmöglichkeiten.
Zeitgleich mit dem Ende von M&R waren auch viele andere wohl etablierte Ostprodukte plötzlich nicht mehr gefragt. Eine Dürre trat ein für viele. Wie lief das in Sachen Musik ab?
Es gab einen großen Nachholbedarf. Zunächst musste die Plattensammlung aufgestockt werden, Pink Floyd, Led Zeppelin, die ganze Liste. Man besuchte jetzt Konzerte vorrangig von Bands, die man vorher nicht erleben konnte. Andererseits kam 1990 bereits ein neues City-Album und 1993 eines von Silly heraus, die haben mich stark interessiert. Ich hatte mir vor der Währungsunion auch eine Rockhaus- LP für Westgeld gekauft. Sie wurde nur im Westen verlegt und war mir genauso wichtig wie Spliff und Mitteregger.
Die »neuen Bands« hatten in der DDR manchmal Probleme gehabt – Feeling B, Skeptiker, Sandow und so weiter. Wie entwickelte sich die als »alternativ« angesehene Ostrockszene in der neuen BRD?
Viele Bands, die nicht verbraucht waren, konnten einfach weitermachen. Keimzeit beispielsweise. Die haben in der DDR nie den Medienrummel mitgemacht. Sie tourten durch Studentenclubs. In der BRD haben sie sofort einen Plattenvertrag erhalten. Sie hatten zwar zwischen Suhl und Usedom getourt, galten aber nicht als typische Ostrockband. Sandow hatten schnell einen Plattenvertrag bei Fluxus; Skeptiker bei Our Choice. Sie erlebten keinen Einbruch, auch wenn zu den Konzerten weniger Leute kamen, als später wieder zu den alten DDR-Bands.
Aber so richtig groß rausgekommen im Westen ist niemand?
Die ersten waren Die Prinzen, und die hatten keine Ostvergangenheit als Band. Sie stammten aus dem Thomaner-Chor, hießen zunächst Die Herzbuben, und haben sich dann wegen des Wildecker Pendants umbenennen müssen. Oder wollen. Im Radio lief ihr Titel »Ich bin der schönste Junge aus der DDR« – trotzdem waren sie irgendwann die ersten Gesamtdeutschen.
Dann erlebten die Alten eine Renaissance. Die fand aber fast ausschließlich im Osten statt. Wieso?
Das Interesse am anderen Teil des Landes war nur einseitig ausgeprägt. Der Osten wollte schon wissen: Was läuft im Westen? Er war immer schon am Westen interessiert. Umgekehrt war das offensichtlich nicht der Fall.
Christian Hentschel, 45 Jahre, Berliner, gelernter Verkehrskaufmann, Journalist, Manager, 2004 Wiedergründer von M&R
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 6/2012, erhältlich ab dem 9. November 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.
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