Die GEMA bereitet für 2013 eine Tarifreform vor. Das sorgte in den letzten Wochen für Aufruhr in der Veranstalterszene. Vom ambitionierten Kellerclub bis zum legendären Berghain drohten Clubs mit der Schließung, wenn die aus ihrer Sicht exorbitant steigenden GEMA-Gebühren nicht zurückgenommen werden. Wir baten die GEMA und einen Veranstalter um ihre Meinungen zur Tarifreform.
Hitmusik mit Verzehrpflicht
Gerechtigkeit. Dies kündigt die GEMA mit der Tarifreform im Veranstaltungsbereich an. Die Veranstalter sollen zehn Prozent ihrer Eintrittsgelder an die GEMA abführen. So einfach, so schön.Setzt man sich mit dem Tarifvorschlag auseinander, stellt man fest:
• Die Pauschalberechnung nimmt immer den höchsten Eintrittspreis als Berechnungsbasis
• Die Gästeauslastung wird mit 100 Prozent veranschlagt
• Die Staffelung des für die Auslastungsberechnung benötigten Flächenfaktors erfolgt in 100-Quadratmeter- Schritten (eine Location mit 300 qm hat den selben Flächenfaktor wie eine mit 399 qm)
• 25 Prozent Aufschlag alle zwei Stunden ab einer Veranstaltungsdauer von mehr als acht Stunden
• 10 Prozent Aufschlag, wenn die Musik nicht von Vinyl oder CD gespielt wird
• 40 Prozent Aufschlag, wenn die Musik vom Laptop gespielt wirdBei der Verschiedenheit von Veranstaltungen als Grundlage kultureller Vielfalt muss man kein Genie sein, um zu erkennen, dass mit diesem Tarif keine Gebührengerechtigkeit einhergeht. Die Veranstalter werden vielmehr ihre Geschäftsmodelle überdenken und an die neue Gebührenordnung anpassen. Folgendes Szenario ist wahrscheinlich:
Die Eintrittspreise werden auf ein möglichst niedriges Niveau gesenkt, im Gegenzug erhöht man die Getränkepreise. Wirtschaftliche Veranstaltungen, bei denen eine hundertprozentige Gästeauslastung unwahrscheinlich ist, werden zur Ausnahme. Das bedeutet: Hitmusik mit Verzehrpflicht, zeitig Licht an und Kehraus.
So viel zur Einnahmengerechtigkeit. Aber was ist mit den Ausschüttungen?
Die GEMA rechnet in diesem Segment mit einer Steigerung ihrer Einnahmen von 150 Millionen Euro auf 600 Millionen Euro. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Tarifvorschlag einzig der Manifestierung der Interessen der ca. 3.500 ordentlichen und somit stimmberechtigten GEMA-Mitglieder dient.
Da die genaue Aufteilung der Pauschaleinnahmen nicht öffentlich zugänglich ist, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt in einem logischen Zusammenhang mit den tatsächlich aufgeführten Werken steht. Denn hier liegt das eigentliche Problem: Verteilungsgerechtigkeit braucht Direktabrechnung.
Jedes Werk ist über eine Audio-ID eindeutig zu identifizieren. Was spricht dagegen, die auf öffentlichen Veranstaltungen gespielten Werke zu monitoren, deren Nutzung zu dokumentieren, zu veröffentlichen und die Abspiellisten zur Direktabrechnung zu nutzen?
Nichts, außer einer von der GEMA angeführten vierprozentigen Ungenauigkeit in den verfügbaren Monitoring-Verfahren – bei einer Ungenauigkeit von ca. 30 Prozent in den jetzigen Tarifen.
Würde die GEMA nur einen Bruchteil ihres Verwaltungsbudgets von immerhin 123 Millionen Euro jährlich für eine Umstellung auf die Direktabrechnung der tatsächlich aufgeführten Werke aufwenden, könnten jene Künstler von den GEMA-Abgaben profitieren, deren Werke tatsächlich aufgeführt wurden. Ihre demokratieferne Stellung in der GEMA wäre ebenso obsolet wie die GEMA-Vermutung.
Es ist nachvollziehbar, warum sich die GEMA jeder Form der digitalen Erfassung und Abrechnung ihrer Lizenzen verweigert. Es ist aber nicht hinnehmbar. Wir zahlen gern, selbst an den Teufel – sobald nachvollziehbar ist, auf welchen Haufen er scheißt.
Ben de Biel (Fotograf und Veranstalter, von 1998 bis 2011 Betreiber des Berliner Clubs Maria am Ostbahnhof, seit 2011 Pressesprecher der Piratenpartei Berlin).
»Lesen Sie unsere Website!«
An dieser Stelle wollten wir der GEMA Gelegenheit geben, ihre Positionen zur Tarifreform zu erläutern. Leider wurde die Zusage einer Stellungnahme kurzfristig zurückgezogen. Aus dem Büro der Pressesprecherin Gaby Schilcher erhielten wir den lapidaren Hinweis, es sei alles schon gesagt.
Der Beitrag erscheint in der Melodie&Rhythmus 5/2012, erhältlich ab dem 31. August 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.
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