Mythen und Wahrheiten über Georg Heyms berühmtes Gedicht
Matthias Rude
Der Krieg bricht als personifizierte Katastrophe über die Städte herein und wütet in apokalyptischem Ausmaß: »Aufgestanden ist er, welcher lange schlief/ Aufgestanden unten aus Gewölben tief/ In der Dämmerung steht er, groß und unerkannt/ Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand«, heißt es in Georg Heyms elfstrophigem Gedicht, das mit der Zeile »Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh« endet. Der Zeitpunkt seiner Entstehung, September 1911, fast drei Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs, hat dem Autor, der vier Monate nach der Niederschrift starb und bis heute als einer der bedeutendsten Vertreter des literarischen Expressionismus gilt, postum einen Ruf als Prophet des Grauens der modernen Massenvernichtungskriege verschafft.
»In jeder Anthologie der Lyrik des großen Weltkrieges steht das Gedicht ›Der Krieg‹ von Georg Heym an erster Stelle«, stellte die Kölnische Zeitung 1924 fest – als »Vision der Vorahnung«. Für Hanns Martin Elster war das die »Bestätigung vom Mythos des Dichtersehers«, wie der Schriftsteller – und Nazi – 1932 in einem Artikel zum 20. Todestag Heyms in der NZZ schrieb. »Schon roch er den fernen Brandgeruch des Ersten Weltkrieges«, meinte auch der Schweizer Mäzen Carl Seelig, der 1947 unter dem Titel »Georg Heym. Gesammelte Gedichte. Mit einer Darstellung seines Lebens und Sterbens« die Lyrik Heyms wieder zugänglich machte. Selbst Marxisten waren vor derart ahistorischen Deutungen nicht gefeit. …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2021, erhältlich ab dem 17. September 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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