Der Filmessayist Thomas Heise setzt mit der Familienbiografie »Heimat ist ein Raum aus Zeit« seine Annäherung an verdrängte deutsche Geschichte fort
Bastian Tebarth
Als seine Mutter 2014 starb, erbte er Kartons voller Schriftstücke, Fotos, Dokumente − Material der eigenen Geschichte. Thomas Heise ist jemand, der Umwege scheut. Der 1955 in der DDR geborene Theaterregisseur, Hörspiel- und Dokumentarfilm-autor hat seit den frühen 1980ern ein Werk geschaffen hat, das zum Wichtigsten gehört, was hierzulande an Gesellschaftsanalyse in den letzten Jahrzehnten produziert wurde. Und zu Recht wurde er auf der Berlinale 2019 gefeiert. In seinem neuen Film »Heimat ist ein Raum aus Zeit« liest Heise aus Briefen vor allem seiner Eltern und Großeltern. Zeugnisse von insgesamt drei Generationen – ein ganzes Jahrhundert umspannend. Das erste Dokument datiert von 1914, das letzte kündet vom Tod der Mutter. Heise trägt in zurückhaltendem Hochdeutsch vor, aber sein Berliner Singsang lässt sich nicht in Gänze verbergen. Dazu sieht man in Schwarz-Weiß meist menschenleere Landschaften. In langen Plansequenzen fährt die Kamera an Gebäudefassaden und Waldsäumen entlang und besucht Stationen der Familienbiografie – etwa die ehemalige Heeresversuchsanstalt Peenemünde, wo einst die »Vergeltungsraketen« zusammengeschraubt wurden, und das mittlerweile abgerissene Gestapo-Lager Zerbst, wo Heises Vater als 18-Jähriger im Zweiten Weltkrieg zu Ausschachtungsarbeiten gezwungen wurde und heute Windräder in den Himmel ragen. Es sind von der Geschichte kontaminierte Orte, in deren Sediment Schicksale eingelagert sind. Letztere werden nicht unmittelbar im Bild, aber im Verbund mit den vorgelesenen Textstellen sichtbar.
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Heimat ist ein Raum aus Zeit
Regie: Thomas Heise
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2019, erhältlich ab dem 13. September 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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