
Rapper Disarstar bringt das Publikum zum Tanzen
Foto: Nikolaos Damianidis
Das Festival der Jugend präsentierte »Gegenkultur statt Massenbetrug«
Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) hatte für ihr Festival der Jugend Gegenkultur bestellt. Die M&R hat ihren Beitrag dazu geliefert und das »ResisDance Against Fascism«-Konzert mitorganisiert, eines des Highlights der Großveranstaltung, die vom 2. bis 5. Juni in Köln stattfand. Ska-Punk-Formation Los Fastidios brachte, neben weiteren Bands, am Samstagabend den mehrere hundert Jugend liche zählenden Pulk vor der Bühne mühelos zum Tanzen – Hauptact Disarstar mit seiner Forderung »Wir müssen in die Mitte der Gesellschaft!« sogar eine zentrale These der für den nächsten Tag anberaumten Podiumsdiskussion »Gegenkultur statt Massenbetrug« auf den Punkt.
»Jede sozialdemokratische Strömung organisiert das Übel, der Marxismus packt es an der Wurzel und reißt es aus«, erinnerte M&R-Chefredakteurin Susann Witt-Stahl, eine der beiden Podiumsteilnehmer, mit einem Zitat des Dichters Franz Xaver Kroetz an den historischen Imperativ der Arbeiterbewegung und der von ihr hervorgebrachten Gegenkultur. Im Kontrast dazu repräsentiert Subkultur, vor allem gegenwärtig, überwiegend Elitismus und Eskapismus. Dass Fundamentalopposition auf kultureller Ebene derzeit nur schwach entfaltet werden könne, führte Witt-Stahl nicht zuletzt auf die Rotstift politik in den Bereichen Soziales und Bildung zurück – Auswüchse des zum Neoliberalismus radikalisierten Kapitalismus. Dessen korporatistische Züge zielten auf die Vereinnahmung linker Ästhetik wie jeder widerständigen Regung. Antikapitalistische Linke sollten auf diesen kulturideologischen Klassenkampf von oben nicht mit Antiintellektualismus reagieren, sondern sich u. a. mit Bildungsoffensiven (zurück)erobern, was ihnen gehört: Theorie und Praxis revolutionärer Kunst und Kultur.
»Diejenigen, die mit Antilopen-Gang-Sportbeutel oder Egotronic-T-Shirt herumlaufen«, meinten meist, »für Frieden zu sein heiße den west lichen Imperialismus zu unterstützen«, beschrieb Mario, Vertreter der SDAJ auf dem Podium, die regressiven Tendenzen in der linken Popkultur. Diese konzentrierten sich in kleinbürgerlichen Phänomenen wie »Zeckenrap« und »antideutscher« Antifa-Kultur, die von Labels wie Springstoff und Audiolith profitabel vermarktet würden. »Mit fortschrittlicher Arbeiterjugendkultur hat das nichts zu tun.« Junge Revolutionäre heute seien weitgehend von künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten für ihr »vorhandenes Widerstandspotenzial und ihre Wut« abgeschnitten, so Mario weiter. Als ersten Schritt aus der Misere schlug er eine umfangreiche Klassenanalyse vor. Und dann gelte es, »Kunst und Kultur wieder als Mittel der Selbst ermächtigung« zu nutzen.
red
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2017, erhältlich ab dem 30. Juni 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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