Mono für Alle! widersetzen sich dem Rechtsruck in der linken Subkultur
Mit ihren politischen Texten eckt die Gießener Elektropunkband Mono für Alle! seit 15 Jahren an – auch und gerade in jenen Teilen der linken Subkultur, die seit der »Wende« selbst zunehmend systemfromm geworden sind. M&R-Redakteur Matthias Rude sprach mit Sänger Mono.
Mit Songs wie »Hallo Verfassungsschutz« haben Sie sich bei staatlichen Behörden unbeliebt gemacht. Gegen Sie wurde wegen »Anleitung zu Straftaten« ermittelt. Sie sprechen aber auch von Zensur und Auftrittsverboten innerhalb der »linken Szene«?
Das fing an, als uns Ende der 90er-Jahre während eines Konzerts in Marburg der Strom abgeschaltet wurde, weil wir »Boykottiert McDonald’s« gespielt hatten – der Vorwurf: »Antiamerikanismus«. Eine »antideutsche« Szene gab es damals noch nicht, aber das waren die Vorläufer. Die Argumente und die Agitationsformen lagen schon in der Luft, und die Zeit schien reif für etwas »Neues«, denn die linksradikalen Strukturen der vergangenen Jahre waren am Zerfallen.
War das ein Grund für die Entstehung dieser mittlerweile stark nach rechts gedrifteten Strömung?
Die Ursache liegt nicht darin, dass in der traditionellen Linken vieles falsch lief, sondern es gab nach dem Zerfall des Ostblocks und der darauffolgenden Allmacht des Kapitalismus für viele ganz einfach keine motivierende linke Perspektive mehr. Dazu kommt, und das war aus unserer Wahrnehmung auch die Hauptmotivation der »Antideutschen«, dass man, genauso wie die vorherigen Generationen, Teil einer Jugendbewegung sein wollte – am liebsten so bedeutsam wie die 68er, die ja von den »Antideutschen« neidvoll gehasst werden. Nun gab es aber in den späten 90ern gar keine Jugendbewegung mehr, weil es das Kapital geschafft hatte, jede relevante Subkultur kommerziell zu verwerten. Die »Antideutschen« haben dann versucht, ihre eigene subkulturelle Bewegung zu inszenieren, mit der sie Größeres vorhatten, nämlich an die Stelle der »abzureißenden« Linken zu treten. Ihr Aufkommen sehen wir also in erster Linie als Resultat eines Identitätskonfliktes, und das vermeintlich Politische, also die »Israel-Solidarität« und die Fehlinterpretation von Marx‘ Werttheorie, diente dabei als konzeptioneller und populistischer Überbau.
Haben Sie diese Szene, die ja den US-amerikanischen »War on Terror« bejubelt hat, mit der Veröffentlichung des Songs »11. September« vor zehn Jahren vorsätzlich provoziert?
Der Song war in seiner Intention zunächst gegen das kollektive »Wir«-Betroffenheitsgehabe und die Doppelmoral nach den Anschlägen gerichtet, ebenso gegen die darauffolgende Zunahme staatlicher Repressionen, von der auch wir uns betroffen fühlten, zum Beispiel durch häufige Polizeikontrollen. Natürlich war uns klar, dass auch die »Antideutschen« ein Problem mit dem Song haben würden. Eine Konfrontation fanden wir aber gut und notwendig, da es zunehmende Sympathien in der Szene für westliche Militärinterventionen und auch für staatliche Überwachung gab.
Was waren die Reaktionen?
Während uns bis zur Veröffentlichung auch viele »Antideutsche« gefeiert hatten, hagelte es danach Flugblätter, Forenbeiträge und Konzertverbote, die sich bis heute fortsetzen. Es geht aber auch nicht nur um den Song. Es sind unser kompletter Stil, das D.I.Y. und die praktische Intervention, die »Antideutsche« total nerven. Als wir etwa im Dezember ein Soli-Konzert im Hambacher Forst für Klimaaktivisten gespielt haben, gab es Hass-Mails, in denen gewünscht wurde, dass die RWE-Bagger zügig vorankommen. Im Zuge der Auseinandersetzung wurde deutlich, dass man in der Szene bei Weitem nicht mehr so frei sein konnte wie in den 90ern – von den Jahrzehnten zuvor ganz zu schweigen –, und vor allem deshalb bezeichnen wir die »Antideutschen« auch als praktizierend reaktionär.
Ein Jahr später haben Sie mit dem Song »Ekelhafter Antisemit« nachgelegt. »Ob vegan, Pazifist oder globalisierungskritisch / Strukturell bist du antisemitisch«, wird darin die »neue Antifa« persifliert.
Ja, das beschreibt genau deren antiemanzipatorische Haltung! Obwohl der Song mittlerweile acht Jahre alt ist – das Thema ist immer noch aktuell. Wenn man sich etwa die »Blockupy«-Mobilisierung zu den EZB-Protesten anschaut, da gab es einige, die vor dem Hintergrund eines vermeintlich strukturellen Antisemitismus moralische Bedenken hatten hinzufahren, weil es ja gegen eine Bank geht. Und dann gibt es inzwischen sogar eine Fraktion – ein Beispiel ist die von der Springer- Presse hochgelobte Antilopen Gang –, die meint, man müsse als Antifaschist die Banker in Frankfurt vor dem linken Mob schützen und auf Seiten der Cops den Demonstranten mal richtig aufs Maul hauen.
In Liedern wie »Alles falsche Schweine« klingt auch generelle Kritik an der autonomen linken Szene an.
Wir sind seit Mitte der 90er-Jahre in der Szene mehr oder weniger aktiv und sicherlich auch durch viele Demonstrationen und Besuche in autonomen Zentren durch die Antifa sozialisiert. Allerdings immer mit einer kritischen Distanz, weil auch vieles genervt hat, vor allem die trendorientierten Szenecodes, die wir in dem Song kritisieren, was man auch an unserem Sound oder den Outfits erkennen kann. Den grundsätzlichen Anpassungsdruck an Gruppengepflogenheiten halten wir für inkompatibel mit unserer anarchistischen Einstellung.
Apropos anarchistische Einstellung – in »Honecker« singen Sie: »Ein paar Tote an der Mauer sind mir immer noch lieber / Als 50.000 verhungerte Kinder / Jeden Tag in der Dritten Welt.« Es ist hier nicht ganz einfach, zwischen Ironie und politischem Gehalt zu unterscheiden. Was ist Ihr Verhältnis zur DDR?
Wir sind ja im Westen aufgewachsen und waren zur Zeit des Mauerfalls noch Jugendliche, hatten also kein besonderes Verhältnis zur DDR. Was uns aber im Zuge der »Wende« ziemlich ankotzte, war die Arroganz und Selbstverständlichkeit, mit der die DDR ins BRD-System integriert wurde. Das war auch ausschlaggebend für den Song, wir wollten der Wessi-Perspektive was möglichst Provokantes entgegensetzen, und dazu haben wir geläufige Klischees mit Parolen von DDR-Ostalgikern zu einem Songtext zusammengekleistert, der vor allem im Westen extrem provozierte. Wir finden »Honecker« einen der besten Texte, weil der Song ernst und ironisch zugleich ist.
Zurück in die Zukunft: Was ist von Ihnen 2015 zu erwarten?
Wir haben auf der D.I.Y.-Tour 2014 Konzerte mitgeschnitten, von den besten Aufnahmen gibt es jetzt ein Live-Album, als CD und LP – limitiert und mit handsigniertem Poster – und kostenlos zum Download. Zu hören sind neue, bisher unveröffentlichte Stücke und ein paar Klassiker. Als ältesten Song haben wir auf vielfachen Wunsch hin »Ekelhafter Antisemit« aufgenommen. Im Herbst soll dann endlich das zweite Studioalbum erscheinen, das ebenfalls auch als kostenloser Download mit Bastelanleitung erhältlich sein wird. Der überzeugte Fan wird sich dann den »echten« Tonträger kaufen.
Sie haben einmal gesagt, dass die Situation in der Welt seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so elendig gewesen sei wie heute; vor zwei Jahren haben Sie eine »Weltuntergangstournee« veranstaltet. Haben Sie überhaupt noch Hoffnung auf Veränderung?
In Deutschland ist die Lage zurzeit aussichtslos. Die Gesellschaft besteht überwiegend aus Leistungsdruck, Wachstumszwang und Effizienzoptimierung. Griechenland, wo wir teilweise leben, bietet da schon etwas mehr Hoffnung – vor allem, wenn Syriza und die Leute drum herum jetzt keinen Mist machen. Sollte es Griechenland schaffen und vielleicht eine größere südeuropäische Alternative entstehen, dann könnte sich das auch irgendwann positiv auf die kapitalistischen Zentren der EU auswirken. Im Grunde liegt die große Hoffnung in einem postkapitalistischen sozialen Europa, in dem sich die Nationalstaaten allmählich auflösen, und das könnte zum Vorbild für andere Teile der Welt werden.
Mono für Alle! D.I.Y.-Live
o. L.
www.monofueralle.info
Das Interview lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 3/2015, erhältlich ab dem 30. April 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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