
Foto: Timmy Hargesheimer
T der Bär begeistert mit einem späten Hip-Hop-Debüt
Christoph Schrag
Auch in der DDR gab es Hip-Hop. Das haben viele schon vergessen, doch Tim weiß es noch, denn er war dabei – wenn auch noch ganz klein. Losgelassen hat ihn das nie. Er nennt sich T der Bär, kommt aus Berlin und hat Verspätung. Denn was der Mann jetzt veröffentlicht, sind die ersten Rap-Tracks seit dieser musikalischen Jugendliebe. Doch er gibt gleich Entwarnung: »Keine Angst, ich bin kein Konkurrent / Du kannst weiterpennen, ich werd‘ mich niemals Rapper nennen«, heißt es in dem Track »Yves Jacques Cousteau Obi Wan«.
Die Hip-Hop-Initialzündung kam nicht auf Vinyl, sondern auf Zelluloid. T der Bär alias Tim Sander sieht 1985 zum ersten Mal den Hip-Hop-Streifen »Beat Street«, produziert von Harry Belafonte. Und das im Kino, in Ostberlin, in der DDR. Eine Kulturfunktionärin hatte sich offenbar für die Aufführung eingesetzt und argumentierte, der Film zeige US-amerikanische Ghetto-Kids als Opfer des Kapitalismus. Aber Tim sah in dem Film keine mahnende Doku, sondern mit großen Augen: Adidas, Breakdancer, Ghettoblaster. Und er hörte den Sound. Für die Ostberliner Hip-Hop-Szene, die sich dann z. B. auf der Insel der Jugend entwickelte, war er damals noch zu jung. Nach dem Mauerfall verlor der Ost-Rap an Bedeutung. Und als Tim schließlich alt genug war, um zu kapieren, dass er selbst ja auch Rapper, DJ und B-Boy sein könnte, gefi el ihm Hip-Hop nicht mehr. Zu verbeamtet schien er ihm mit all den Regeln der Realness – wie man sich zu geben und was man zu machen hatte. Seine logische Antwort: Punk spielen im Jugendclub von Berlin-Schöneweide.
Tim Sander machte einen großen Umweg zum Hip-Hop. Er wurde Schauspieler, stand am Theater auf der Bühne und in Serien vor der Kamera – und tut es noch. Erst vor ein paar Jahren spielte sich die Musik wieder in den Vordergrund: Mit seiner Indie-Band Team Amateur ergatterte er einen kleinen Plattendeal und brachte ein Juwel von Album heraus. Und jetzt hat der Hip-Hop ihn zurück! Die ersten Tracks veröffentlichte er als T der Bär im Sommer vergangenen Jahres. Jetzt kommt das Debüt »Bienenwolf«. Darauf rappt er: »Ich werde niemals real sein, weil ich einfach zu verbrannt bin.« Man hört an den anarchisch zusammengefahrenen Sounds, dass ihm der regelfreie Raum wirklich wichtiger ist als ein Hip-Hop-Codex. Die Szene, findet er, ist heute auch wieder offener. Bei T der Bär ist schwer zu sagen, was roher klingt: seine Stimme oder seine Beats.
Letztere lässt er über harte Schnitte stolpern und von verzerrten, wilden Synthie-Melodien herumschubsen; Erstere ist naturheiser und stellt sich löchrig ins Rampenlicht. Zusammen bilden sie ein wunderbar nüchternes Schrott-Orchester, das nicht auf die übliche Angriffslust des Debütanten verzichtet, aber gleichzeitig so lakonisch-refl ektierte Texte um sich schleudert, dass jeder Battle hier im Grunde mit sich selbst ausgetragen wird. T der Bär bringt mit »Bienenwolf« eine Reife und Freiheit vom Seitenaus ins Spiel, die jede noch so lange Verspätung rechtfertigt.
T der Bär Bienenwolf
Rummelplatzmusik
tderbaer.tumblr.com
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 2/2016, erhältlich ab dem 26. Februar 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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