Vor 90 Jahren erschien Siegfried Kracauers Studie »Die Angestellten«
Gerhard Hommer
Nicht allen Abonnenten gefiel, was ihnen die Frankfurter Zeitung (FZ) im Herbst 1929 vorsetzte. Auf den Vorabdruck von Alfred Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz« reagierten kulturkonservative Leserbriefscheiber ablehnend bis angeekelt. Im Namen der Feuilletonredaktion konterte Siegfried Kracauer provokant, dass ihr an »Attentaten gegen Ihre Gemütsruhe […] viel gelegen« sei. Mit seiner Studie »Die Angestellten«, die in der Zeit vom 8. Dezember 1929 bis zum 8. Januar 1930, aufgeteilt in Abschnitten, ebenfalls im Feuilleton der FZ erschien, setzte er die Ruhestörung fort. Es gibt kritische Interventionen, die allmählich an Dringlichkeit verlieren, andere werden als kanonisiertes Kulturgut ruhiggestellt. Nicht so Kracauers Angestelltenuntersuchung, die 1930 auch als Buch publiziert wurde: 90 Jahre nachdem Walter Benjamin den befreundeten Autor als »Missvergnügten«, »Spielverderber« und »Störenfried« gewürdigt hatte, ist ihr Stachel der Kritik noch lange nicht abgenutzt.
Wie kam Kracauer zu diesen Ehrentiteln? Der Journalist, 1889 in Frankfurt am Main geboren, aus kleinbürgerlichem jüdischen Elternhaus, promovierter Architekt, seit 1921 für die FZ tätig, ging in »Die Angestellten« von einem Missverhältnis aus: »Hunderttausende von Angestellten bevölkern täglich die Straßen Berlins, und doch ist ihr Leben unbekannter als das der primitiven Völkerstämme, deren Sitten die Angestellten in den Filmen bewundern.« …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2020, erhältlich ab dem 13. Dezember 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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