Der US-Ökonom Thorstein Veblen verfasste mit seiner »Theorie der feinen Leute« die erste Analyse zum Konsumfetischismus der herrschenden Klasse – sie ist bis heute aktuell
Jörg Tiedjen
Man erwartet von einem Buch über die US-amerikanischen Eliten vielleicht, dass in ihm Namen genannt und Beispiele einflussreicher Familiendynastien angeführt werden. Doch Thorstein Veblen (1857–1929) wählte für sein 1899 erschienenes Erstlingswerk »The Theory of the Leisure Class« (Die Theorie der feinen Leute) einen anderen Weg. Er ging gewissermaßen wie ein Ethnologe vor, der das Verhalten eines fremden Stammes erklärt, und bediente sich des Mittels der Verfremdung, der satirischen Zuspitzung und Übertreibung. Das beginnt mit dem Begriff der »Leisure Class«, der »Freizeitklasse«, die sich auf den Golfplätzen und auf glamourösen Benefizveranstaltungen tummelt. Zur Erläuterung spricht Veblen zunächst von den Klassengesellschaften des mittelalterlichen Europas und Japans, von räuberischen Menschengruppen, deren Anführer von der Arbeit freigestellt waren. Denn die »feinen Leute« sind seiner Ansicht nach keinesfalls von edleren Motiven angetrieben als die finstersten »Barbaren«.
Anders als in Europa, wo die feudalen Eliten ihre Herrschaft auf Herkunft gründeten und auf das Bürgertum hinabsehen, beruhten Status und Ansehen der herrschenden Klasse in den USA allein auf den Reichtümern, die sie angehäuft habe, bescheinigt Veblen der kapitalistischen Ordnung seiner Zeit, die sich bis heute nicht wesentlich geändert hat. Die Besitzenden würden ihre gesellschaftliche Potenz zeigen, indem sie Geld verprassten: für Feste, für ihre Moden, die Beschäftigung mit teuren Hobbys. …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 26. Juni 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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