Melodie & Rhythmus

DAS ENDE DER UNSCHULD

31.08.2011 15:36

Oslo 2011, New York 2001: Folgen für die jeweiligen Musikszenen
Text: Wolf Kampmann, Fotos: Bandphoto, AP

Es gibt nur wenige Augenblicke, in denen die Welt den Atem anhält. Der 22. Juli dieses Jahres war so ein Moment. Ein schwer bewaffneter Norweger namens Anders Breivik, von dem kein Mensch zuvor je etwas gehört hatte, stellte an einem einzigen Nachmittag mit einer präzise geplanten und ausgeführten Gewaltoperation die Identität eines kompletten Volkes und die Illusionen der ganzen Welt in Frage. Nirgends in Europa ist die Musik ein derart nachdrücklicher Ausweis für die Harmonie extremer Gegensätze wie in Norwegen. Wie konnte sich das Grauen ausgerechnet dieses Landes bemächtigen? Bedingen sich Musik und Gewalt vielleicht viel intensiver, als wir das wahrhaben wollen?

Mitternacht in Kongsberg
Es ist die Scheide zwischen dem 9. und 10. Juli in der norwegischen Provinzstadt Kongsberg, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Oslo. Auf der Bühne eines kleinen, aber sehr urban wirkenden Clubs stehen zwei junge Musiker, die das renommierte Jazzfestival von Kongsberg abschließen, das auch dieses Jahr von Stars gespickt war. Die beiden tragen jedoch weder große Namen noch hat ihre Musik viel mit Jazz zu tun. Drummer Kenneth Kapstad von Motorpsycho und Gitarrist Stian Westerhus, der momentan europaweit als große Hoffnung auf dem Sechssaiter von sich reden macht, haben sich zu dem Duo Monolithic zusammengefunden. Wo andere Musiker an ihre Grenzen gehen, fangen Monolithic erst an. In einem Mix von kompromisslosem Industrial Staccato und brachialen Walls of Sounds zelebrieren sie die freundlichste Variante abgrundtiefer Bösartigkeit. Bösartig, weil ihre Musik infernalisch, schwarz und entstellt ist. Freundlich, weil die beiden Musiker daran unglaublichen Spaß haben und zu keinem Augenblick negative Stimmung aufkommt. Monolithic sind der Archetyp einer norwegischen Band, die multitraditionell aufgestellt ist und sich selbst keine Grenzen setzt. Der enge Club ist zum Bersten voll, und selbst akustisch völlig anders gepolte Jazz-Afficionados sind von der aufrichtigen Hyperenergie des Duos begeistert. Noch ahnt niemand, dass keine zwei Wochen später nichts mehr so sein wird, wie es gerade noch ist. Und vielleicht sind nicht einmal alle, die dieses Konzert besuchen, dann noch am Leben.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in der melodie&rhythmus 5/2011, erhältlich ab dem 6. September 2011 am Kiosk oder im Abonnement.

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