Das Linksunten-Verbot als unverhoffte Werbung für das politische Darknet
Zwei Internetadressen umfasst eine aktuelle Verbotsaktion des Bundesministeriums des Innern: die bekannte Webseite linksunten.indymedia.org und eine höchst kryptische Adresse namens fhcnogcfx4zcq2e7.onion. Denn was bislang nur wenige wussten: Die gemeinschaftlich erstellte Nachrichtenseite verfügt über eine Art alternative Zugangstür im Darknet.
Dieses Darknet auf Basis der Anonymisierungs-Software Tor schützt gleichermaßen die Anonymität von Usern wie die von Webseiten-Betreibern. Gegenwärtig wird es überwiegend für den Handel mit Party-, Aufputsch- und Entspannungsdrogen frequentiert. Eine politische Nutzung ist hingegen noch schwach ausgeprägt. Neben Linksunten verfügt auch das deutschsprachige Schwesterportal de.indymedia.org über einen Darknet-Auftritt, ebenso die IT-Kollektive Riseup und Systemli. Und einige Medien, etwa der britische Guardian, haben dort anonyme Postfächer für Whistleblower eingerichtet.
Könnte hier nicht eines Tages eine alternative digitale Plattform entstehen? Ein dringend benötigter Gegenentwurf zum heutigen Internet, das von Daten-Ballung und umfassender Überwachung gekennzeichnet ist? Das Darknet als politisches Forum, wie es sich viele Netzaktivisten wünschen, ist zurzeit noch vor allem eines: Zukunftsmusik. Aber zumindest hat das Innenministerium mit seinem Verbot dafür gesorgt, dass immer mehr Linke wissen, dass dieses Darknet mehr ist als nur eine große Einkaufsmeile für Drogen. Die beste PR für eine Technologie kommt manchmal von ganz unerwarteter Seite.
Stefan Mey
Von dem Autor ist gerade das Buch »Darknet – Waffen, Drogen, Whistleblower. Wie die digitale Unterwelt funktioniert« bei C.H.Beck erschienen.
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2017, erhältlich ab dem 29. September 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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