Teil 1: Alles Bigos?
Text: A .Debska, Foto: Numalab
Bigos, ein Eintopf, der überwiegend aus Sauerkraut und Fleisch besteht, gilt als das Nationalgericht Polens schlechthin. Auf fast allen Festen der polnischstämmigen Migranten im Ausland steht er auf dem Tisch. Traditionsbewusstsein gehört, ebenso wie hierzulande, zu den Tugenden der Polen. Folgt man jedoch immer nur der Tradition, gibt es keine Entwicklung.
Etwa zwei Stunden nach Einlass füllt sich die Urban Spree langsam, eine Location in Berlin-Friedrichshain, wo es noch teilweise so abgewrackt zugeht wie kurz nach dem Mauerfall. Mit hochgekrempelten Anzugärmeln in Pastell und dünner Krawatte zuckt Jemek Jemowit Bowie-like zum Rhythmus und donnert ins Mikro: »Polak chleje, chleje i chleje« – Der Pole säuft, säuft, und säuft. Das Publikum ist, wie für Berlin üblich, international, und die meisten amüsieren sich prächtig. Nur das polnische Pärchen neben mir schaut etwas verwirrt drein, als überlegten sie, ob das, was sie hören, Kunst ist oder weg kann.
Der dunkle Raum wird erleuchtet von der Leinwand hinter der Bühne, auf die Bilder projiziert werden, die ebenfalls von vor über 20 Jahren stammen könnten. Lebensmittel-Discounter, Plattenbauten, Kassenhäuschen an Bahnhöfen in abblätterndem Grau. Es könnten Bilder sein aus Deutschland, Ungarn, der Tschechoslowakei. Wäre da nicht im Hintergrund die polnische Einzelhandelskette Zabka zu sehen, oder »Sklep Monopolowy« – ein Spirituosengeschäft. Es sind Bilder, die der polnischstämmige Berliner Musiker für seinen Videoclip zu »Bigos« verwendet. Das Lied ist auf der EP »Tekkno Polo«, die er an dem Abend im Mai 2013 in der Urban vorstellt.
»Das sind so Sachen, für die sich Polen schämen, der scheiß Supermarkt, die kaputten Straßen, die Plattenbauten«, sagt Jemek. Er wolle Polen nicht schlecht machen. Es gehe darum, die polnische Kultur nicht nur über Nationaldichter und Folkloretanzgruppen zu zeigen, sondern auch die schmutzige Realität mit ins Boot der Kulturvermittlung zu holen, zu zeigen: so ist es auch. Ohne sich dafür zu schämen. »Postpatriotische Heimatmusik« nennt Jemek seinen Stil, der einer Art Hassliebe zu seinen polnischen Wurzeln entspringt.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 4/2013, erhältlich ab dem 28. Juni 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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