Zum Tod des Komponisten, Pianisten, Sängers und Songwriters Reinhard Lakomy
Text: Ruth Sonntag, Foto: Gabriele Senft
Zum Abschied sangen sie auf dem Friedhof von Berlin-Blankenburg das federleichte, Gospel-inspirierte »Hi-deho, hi-de-hi« von Blood, Sweat & Tears. Sie erinnerten an Lacky, den sie auf seinem letzten Weg begleiteten, und dessen musikalische Verankerung im Jazz. So mit 20, 21 war der Musikhochschüler aus Magdeburg, Jahrgang 1946, ein feiner Pianist, mit dem Sextett von Klaus Lenz unterwegs gewesen, später mit Günther Fischer. Dann die Armee und im Anschluss der Wechsel in ein Genre, das es so noch nicht gab. Kein Rock, kein Schlager, poppig ja, witzig, ironisch, opulente Arrangements: Lacky als Tastenmann und Sänger mit Reibeisenstimme erzählt seine Geschichten, meist aufgeschrieben von Fred Gertz. »Heute bin ich allein« und »Es war doch nicht das erste Mal« erscheinen 1972 als Single.
»Das Haus wo ich wohne« – alle lachen über den von einer Zensurinstanz erzwungenen Verweis auf das »Wohungsbauprogramm«. Lakomy ironisiert die Passage und zieht sie so ins Trotzig- Lächerliche (»ich mecker nicht, wenn ich was sag/ich mach immer zugleich auch nen Verbesserungsvorschlag«) und steigt weiter in seinen Trabbi: »Auch der schlief noch so schön/so früh hat der den Lacky/ noch niemals nich noch nie gesehn.« Der Musiker eckt an, engagiert sich für Biermann, sagt, was er denkt, lässt sich nicht verbiegen. Und bleibt in der DDR. Nach deren Ende wird er schreiben: »Ich empfinde alle meine Jahre hier im Osten als Wurzeln meiner kreativen Kraft.« Und: Mit dem Scheitern »dieses verfahrenen Sozialismus« sei nicht etwa die sozialistische Idee gescheitert. Er habe sehr lange Zeit seines Lebens gebraucht, so Lakomy 1993 im Vorwort zu seiner CD »Die 6-Uhr-13-Bahn« , um zu erkennen, »dass die Gesellschaftsform des Sozialismus ohne Alternative ist, wenn es uns wahrhaftig um die Zukunft unserer Kinder auf dem blauen Planeten geht.«
Lakomy singt unglaublich schöne Liebeslieder (»Hätte ich gewusst«), das lockerbeschwingte »Und ich geh in den Tag«. Auf mehreren Amiga-LPs begleitet er den DDR-Alltag ganz privat, »Lacky und seine Geschichten«, »Lacks Dritte«, »Daß kein Reif« – eine ganze Plattenseite (18.45 min) von 1976 deutet an, was den Sänger umtreibt. Er fürchtet die Vereisung der Verhältnisse, spürt eine grassierende Engstirnigkeit. Nach seinem letzten Konzert als Sänger 1977 beschreitet Lakomy neue Wege, lässt ab 1978 zusammen mit Ehefrau Monika Ehrhardt den »Traumzauberbaum« wachsen. Mit den »Geschichtenliedern« werden ungezählte Kinder groß – weit über die Existenz des Landes hinaus und bis heute. Das wird bleiben, auch wenn der Mann mit der grauen Langmähne, dem Schnauzer, der Nickelbrille und dem freundlichen Lächeln nun nicht mehr dabei ist.
Zum Schluss ging alles sehr schnell. Nach der tödlichen Krebs-Diagnose erlebte er nur noch kurze Zeit mit Frau und Tochter, mit Besuch von Angelika Mann oder Klaus Lenz, der dem Sterbenden »Hi de hi, hi di ho« versprochen hatte.
Der Beitrag erscheint in der Melodie&Rhythmus 3/2013, erhältlich ab dem 26. April 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im M&R-Shop. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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