Das Liedgut des Arbeitersängers Ernst Busch soll mit einer Comic-Oper aktualisiert werden
Nachdem der bisher auf Identitätspolitik fixierte linke Mainstream in den vergangenen Jahren begonnen hat, sich für die Realität der Klassengesellschaft zu interessieren, widmet man sich nun auch in den Hochkulturtempeln wieder dem »Proleten«.
Im Rahmen des jährlich von der Kölner Philharmonie ausgerichteten Neue-Musik-Festivals Acht Brücken kommt am 1. Mai 2021 eine Comic-Oper mit dem Titel »Ernst Busch – der letzte Prolet« zur Uraufführung. Der Proletenbegriff wird heute in Medien und Politik vor allem in seiner deformierten Form »Proll« vorwiegend pejorativ verstanden. Dieser Tatsache ist sich offenbar auch der Verfasser des Ankündigungstexts bewusst: »Zur Zeit der Weimarer Republik« habe das Proletsein als »Adelsprädikat einer zu politischem Selbstbewusstsein gelangten Arbeiterklasse und Unterschicht« gegolten, wird im Festivalmagazin etwas ungelenk an die ursprüngliche Bedeutung erinnert.
Aber das Projekt Comic-Oper wirkt durchaus vielversprechend: Der Komponist Gordon Kampe, ein Schüler von Nicolaus A. Huber und Hans-Joachim Hespos, liefert die Musik – vor allem neue Arrangements ausgewählter Werke von Ernst Busch. Dafür »gießt« Kampe Buschs Lieder, die Justin Caulley vortragen wird, in eine »andere Klangfarbe«, wie Kampe in der Videopressekonferenz des Festivals erklärte. »Manchmal etwas schräg, manchmal direkt, und manchmal tue ich auch nur so – dann verkleide ich mich als Ernst Busch, den letzten Proleten.«
Grundlage der neuartigen Form der Comic-Oper – das Verhältnis von Comic und Musik stellt auch das Motto des diesjährigen Festivals – ist eine im Frühjahr erscheinende Graphic Novel von Jochen Voit und Sophia Hirsch. Voit, der für das Szenario verantwortlich zeichnet und dazu auf seine 2010 erschienene Busch-Biografie »Er rührte an den Schlaf der Welt« zurückgreifen kann, liefert das Libretto der aus drei Akten bestehenden Oper, während Illustratorin Hirsch Bildsequenzen beisteuert. Die multimediale Aktualisierung von Ernst Buschs Werk ist begrüßenswert. Bleibt nur die Frage, warum der Arbeitersänger der letzte Prolet sein soll.
red
Ernst Busch – der letzte Prolet: 1. Mai, 21 Uhr, WDR-Funkhaus Köln
[↗] achtbruecken.de
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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