Für seine neue Klanginstallation erkundet Mark Barden die Intimität homosexueller Subkultur
Interview: Fabian Schwinger
Im Oktober reüssierte er im Neue-Musik- Mekka Donaueschingen, Ende November erscheint seine erste Porträt- CD: Unter den zeitgenössischen Musikern ist der 34-jährige US-Amerikaner Mark Barden ein gefragter Mann. Mit M&R sprach der offen homosexuelle Komponist über seine neue Arbeit »Dark Room«, die gerade im Goethe-Institut Chicago Premiere feierte und kommendes Jahr in Deutschland aufgeführt wird.
Mark, wie können wir uns Ihre neue Klanginstallation »Dark Room« vorstellen?
Die Idee ist folgende: Ein Besucher betritt alleine einen komplett abgedunkelten Raum. Dort nimmt er zunächst nur ein leises Rauschen wahr. Doch während er sich weiter vorwärts bewegt, entdeckt er acht im Raum verteilte Lautsprecher, die unterschiedliche Klänge hervorbringen – und zwar so leise, dass man mit dem Ohr richtig nah an die Lautsprecher heran muss, um überhaupt etwas zu verstehen. Es entsteht also ein sehr intimes Verhältnis zwischen dem Raum und dem ihn erkundenden Zuhörer.
Und welche Sounds kommen aus den Lautsprechern?
Weil ich meine Klangquellen mit Sinustönen verfremde, dauert es eine Weile, bis der Besucher merkt, dass hier Sexgeräusche zu hören sind. Um die einzufangen, bin ich mit dem Mikrofon in schwulen Darkrooms unterwegs gewesen, wo Männer anonymen Sex miteinander haben. Keine laute Angelegenheit, aber man hört beispielsweise Mundgeräusche, Stöhnen oder das Reiben auf Haut. Ich hoffe, dass manche Besucher meiner Installation diesen Ursprung überhaupt nicht erkennen und ihre Hörerfahrung trotzdem als erotisch einstufen.
Wie sind Sie beim Sammeln Ihres Materials konkret vorgegangen?
Die Mikrofone waren in meine Ohrstöpsel eingebaut, so dass ich mich im Darkroom ganz normal bewegen konnte. Beim Rumlaufen bekommt man schon viel mit, aber für eine gute Aufnahme muss man direkt neben den Liebenden stehen bleiben. Weil vielen Darkroom-Besuchern das bloße Zuschauen gefällt, störe ich gar nicht weiter. Manchmal wird man angefasst, doch es ist kein Problem, sanft zu verstehen zu geben, wenn man nicht mitmachen will. Und lange Zeit passiert in dieser Umgebung auch einfach gar nichts.
Was fasziniert Sie an Darkrooms, dass Sie sie zum Thema einer Arbeit machen?
Im Gegensatz zu den bekannten Dating- Apps können im Darkroom ganz unerwartete Sachen passieren. Ich glaube, es ist von besonderem Wert, dass es Orte gibt, wo man jene Bedürfnisse ausleben kann, die man sich im Alltag – oft über längere Zeit – versagen muss. Gerade deshalb ist der Sex dort zum Teil übertrieben, riskant und extrem. Hier sind noch wirkliche Grenzerfahrungen möglich. Und wir Menschen brauchen diese Erfahrungen – generell, ganz unabhängig von Sexualität.
Um das Treiben im Darkroom rankt sich ja so mancher Mythos …
Meine Arbeit ist nicht sensationsheischend, sondern versucht ein intimes Hörerlebnis zu kreieren. Ich will keine Vorurteile bedienen. Was mich interessiert, ist die Musikalisierung einer authentischen sexuellen Situation. Natürlich habe ich im Club nicht jedem erzählt, dass ich im Darkroom meiner Arbeit nachgehe. Wenn ich dann an der Bar Bekannte traf, die nichts über mein Projekt wussten, wurde mein regelmäßiges Verschwinden im Darkroom entsprechend abfällig kommentiert.
Würden Sie sich als »queeren Komponisten« bezeichnen?
Ich bin auf jeden Fall »out«. Ein anderes Werk von mir heißt »looking for a man to love & fuck«, und der Titel ist bewusst so provokant formuliert, denn sobald du Schwulsein überhaupt erwähnst, ist es vielen schon zuviel. Wenn es um Liebe zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau geht, verdrängt das Gespräch über Homosexualität fast automatisch das eigentliche Thema – die Liebe. Das finde ich frustrierend, deshalb ist der Titel auch so in your face. »Dark Room« wirkt in dieser Hinsicht viel subtiler, weil es um Intimität an sich geht. Das können wohl auch Heteros verstehen.
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 6/2015, erhältlich ab dem 30. Oktober 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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