Foto: Rainer Weisflog
Erinnerung an einen begnadeten Zeitgeist-Kritiker
Gerd Schumann
Geburtstage von Verstorbenen dienen dem Erinnern. Das ist gut so. Bei Gerhard Gundermann lohnt sich zudem, der Frage nachzugehen: Was hätte der 1998 im Alter von 43 Jahren von einem Gehirnschlag tödlich Getroffene wohl gesagt zum Hier und Jetzt, zu dieser verdammten Ego-Gesellschaft? Mit der war der Sozialist, Freigeist, Singer-Songwriter nie recht klargekommen. Ein begnadeter Beschreiber des DDR-Endzeit-Geistes wie des Nachwende- Feelings: »Gundi« sang weiter seine wunderbare, bildreiche Lyrik mit reichlich Platz für Gedankenflug. Die Texte blieben getragen von einer Art kommunistischem Idealismus, der Sehnsucht nach einer Welt ohne Krieg. »Die Pilze sollen wieder in die Bomben kriechen / Und die Bomben wieder in den Flugzeugbauch / Das Loch im Himmel soll sich wieder schließen / Und die Löcher in der Erde, die auch« (»Soll sein«). Tagträume aus der Übergangsgesellschaft, die Vergangenheit nicht verdammend. Neues DDR-Denken sozusagen. Es passte noch gerade zu den verblichenen »Schwertern zu Pflugscharen«-Aufnähern, doch nicht mehr ins nun »Deutschland« genannte Gebilde. Am 21. Februar 2015 wäre Gundermann 60 Jahre geworden. Im Vorfeld soll ein Hommage-Doppelalbum Lust machen auf sein vom Hörfunk geächtetes Werk. Ihre Beteiligung daran zugesagt haben u.a. Die Seilschaft, Konstantin Wecker, Nora Tschirner und Ingo »Hugo« Dietrich (Brigade Feuerstein). Involviert sind zudem das Kulturhaus Plessa, freiLand Potsdam und Showcasepotsdam.
M&R empfiehlt:
Andreas Dresen/Axel Prahl und Band, Gäste zu Gundermanns 60. Geburtstag, 21. Februar 2015, Kulturbrauerei Berlin
Der Beitrag erscheint in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.