Melodie & Rhythmus

Zu alt, um jung zu sterben

29.08.2012 13:10
Schwerpunkt: Älterwerden im Popgeschäft

Bob Dylan
Bob Dylan bei der Verleihung der Freiheitsmedaille (29.05.2012)

Der Rock‘n‘Roll auf dem Altenteil
Text: Wolf Kampmann, Fotos: Petros Karadjias/AP Photo, Henning Kaiser/ddp, Charles Dharapak/AP Photo

Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass Schauspielstars irgendwann den Schritt vom jugendlichen Helden ins Altersfach finden. Robert Redford, Clint Eastwood oder Paul Newman sind die besten Beispiele dafür. Für Popstars ist das Altersfach jedoch nicht vorgesehen. Mit wie viel Würde oder Peinlichkeit nehmen alternde Popmusiker aber das Unvermeidliche hin?

Ian Anderson, Möchtegern- Einbeiner von Jethro Tull, hat in seinem Leben viel Unsinn geredet, doch seine Formel »Too Old To Rock’n’Roll, Too Young To Die« klang griffig und gut. Leider lag er auch mit dieser Aussage falsch. Denn wer zu alt für den Rock’n’Roll ist, der ist schon lange zu alt zum Sterben. Echte Pop-Heroen sterben jung. Brian Jones, Jimi Hendrix, Jim Morrison, John Bonham, Kurt Cobain, Ian Curtis, Sid Vicious und Amy Winehouse haben es vorgemacht, Elvis und Michael Jackson haben gerade noch so die Kurve gekriegt. Ihr Tod mag für ihr Umfeld tragisch gewesen sein, doch mit der Popkultur ist es wie mit einem Ameisenhaufen: Der Tod der einen hilft den anderen, zu überleben. Wer spricht heute noch von Grace Slick, die zu ihrer Zeit mindestens genauso berühmt war wie Janis Joplin? Die Sängerin von Jefferson Airplane hat sich einfach unterstanden, weiterzuleben. Und alt zu werden. Richtig hätte es also heißen müssen: »Too Old To Die Young«.

Es klingt banal, aber alt werden will gelernt sein. Denn das heißt, sein Verhältnis zur Gegenwart immer wieder zu überprüfen. Der Film »Cheyenne« mit Sean Penn persifliert auf wunderbare Weise die Konflikte, die alternde Rockstars mit ihrer eigenen Legende haben, der sie längst nicht mehr genügen. Ein gutes Beispiel für diese Spezies ist Cure-Sänger Robert Smith, dessen Outfit in besagtem Spielfilm für Sean Penn nachempfunden wurde. Smith gehört zu den mit Abstand peinlichsten Erscheinungen des aktuellen Popgeschäfts. Sein verschmierter Lippenstift unter der schwarz toupierten Haarpracht mag vor 30 Jahren provokant gewirkt haben, der inzwischen wesentlich korpulenter wirkende 53-Jährige ähnelt jedoch nur noch einer versoffenen Nutte jenseits der Wechseljahre. Provokant ist das immer noch, aber sicher nicht in dem Sinn, den Smith sich vorstellt. Ähnliches erleben wir von unzähligen Altstars, die mit sogenannten Oldie-Partys um die Welt reisen und in einem Kokon von Korsett, künstlichen Haarteilen und Make-up die alten Zeiten aufleben lassen wollen.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 5/2012, erhältlich ab dem 31. August 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.

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