Eine Schulband, ein Wahlabend und eine Kleinpartei
Text: Johanna Kellerbauer, Foto: dpa
Jeder Mensch heizt mit 100 Watt«, sagt Reiner und wischt mit dem Ärmel seiner Lederjacke über die gefährlich beschlagene Frontscheibe. »Deshalb ist es gar nicht so kalt hier drin mit uns allen, obwohl die Heizung kaputt ist. Gib‘ mir doch mal den Schwamm!« Ich sitze hinten und passe auf, dass mir die Beckenstative nicht das Genick durchbohren. Der alte T2 ächzt unter unserem Gewicht: eine fünfköpfige Band plus Equipment – und Reiner.
Das ist das Erste, was mir zu diesem Abend einfällt, diesem Berliner Wahlsonntag in den Neunzigern. Spätherbst, kaltes, nasses Wetter und wir sind auf dem Weg zur Wahlparty einer Kleinpartei.
»Weißt du noch, wie die Partei hieß, bei der wir damals gespielt haben?«, frage ich unseren damaligen Gitarristen Christian am Telefon. Ich kann es nämlich partout nicht herausfinden, geschweige denn mich erinnern. »Oha, das war vor ca. 30.000 Bieren, keine Ahnung.« Auch die anderen wissen es nicht. Sie existiert heute auch nicht mehr.
Der Bulli rollt an, wir laden aus. Freundliche Männer mittleren Alters nehmen mir gentlemanlike das schwere Zeug ab. Wir betreten eine urige, großzügige Vereinskneipe, viel Holz und grob verputzte Wände. Alle sind irgendwie im Countryoder Ökooutfit, hübsche Mischung. »Und ihr wollt hier also Musike machen heute, was? Dürft ihr überhaupt schon so lange aufbleiben?«
Johanna Kellerbauer, hat Musikwissenschaft und Germanistik studiert. Sie Begann mit fünf Jahren eine klassische Violinenausbildung und war im Sandmännchenchor. Später nahm sie auch die Gitarre in die Hand und lernte Klavier. Seit 20 Jahren ist sie als Sängerin und Geigerin unterwegs von Chanson über Theatermusik bis Punk. Sie hat die monatliche Musiksendung »Mixtape« auf 88vier.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 4/2013, erhältlich ab dem 28. Juni 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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